Phil Tippett hat sich als Spezialeffekt-Künstler bei Star Wars, Indiana Jones und Jurassic Park einen Namen gemacht. Mit Mad God schuf der 73jährige seinen ersten abendfüllenden Stop-Motion-Animationsfilm, der in einer postapokalyptischen Zukunft spielt.
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Mad God
Science-Fiction-Horror/Stop-Motion-Animation USA 2021. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 83 Minuten.
Drehbuch, Animation und Regie: Phil Tippett.
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Postapokalyptische Unterwelt
In einer menschenfeindlichen Zukunft. Ein geheimnisvoller Attentäter reist in einer Taucherglocke in die Tiefen einer gigantischen Unterwelt. Sein Auftrag ist es, eine Bombe in einem Koffer zur Explosion zu bringen. Auf seiner Reise trifft er auf allerlei geknechtete und monströse Kreaturen sowie schaurige Industrieanlagen. Kurz nach dem Versuch, die Bombe zu zünden, wird der Attentäter verschleppt…
Phil Tippett (geboren 1951) hat große Filme und Franchises maßgeblich mit seinen Arbeiten bei Creature-Design, Stop-Motion- und Figuren-Animation mitgeprägt. In diesen Bereichen arbeitete er auch schon für Industrial Light and Magic und Dreamworks. Seine Filmographie liest sich wie eine Aneinanderreihung populärer Genre-Streifen: die Originaltrilogie von Star Wars (1977/80/83), Der Drachentöter (1981), Howard the Duck (1986), die ersten beiden RoboCop-Filme (1987/90), Starship Troopers (1997) und viele mehr. Bis auf Kurzfilme und die Inszenierung einer Starship Trooper-Fortsetzung (2004) hatte der Amerikaner aber nie selbst einen eigenen Film gemacht. Über dreißig Jahre werkelte Tippett an seinem großen Opus Mad God bevor dieses Anfang des Jahrzehnts endlich fertiggestellt werden konnte und seit diesem Jahr auch hierzulande im Heimkino erschienen ist.
Ohne mich im Vorfeld ein wenig über Mad God und seine lange Produktionszeit zu informieren hätte ich Meister Tippett möglicherweise vorgeworfen, dass er sich für sein eigenwilliges Werk massiv bei Junk Head von Takehide Hori bedienen würde. Denn die Ähnlichkeiten beider Filme sind wirklich verblüffend. Ohne Unterstützung einer (großen) Produktionsfirma und mit k(l)einer Crew entstanden, ein postapokalyptisches Setting (fast) ohne Menschen, der Abstieg in eine gefährliche Unterwelt mit schaurigen Monstern und humanoiden Kreaturen sowie virtuose Stop-Motion-Animationen. All diese Punkte treffen auf beide Streifen zu.
Ein paar Unterschiede gibt es dann aber doch. Werkelte Hori wirklich über Jahre fast komplett allein und stemmte beinahe jeden Aspekt der Produktion auf sich gestellt, so hatte Tippett immer wieder Mitstreiter*innen, teilweise Student*innen, die mit ihrem Beitrag zu Mad God überhaupt erste Filmproduktionserfahrungen sammeln konnten, an seiner Seite. Nachdem Phil Tippett in den späten 1980er erstmals mit der Arbeit an seinem „pet project“ begonnen hatte, war er nach dem Aufkommen von computergenerierten Effekten im Laufe der 1990er zunehmend desillusioniert und ließ das Projekt erst einmal fallen, um es erst 2010 wiederaufzunehmen. Eine Kickstarterkampagne brachte das nötige Budget von 150.000 US-Dollar zusammen.
Während Junk Head noch eine auserzählte Geschichte, nämlich die Abenteuer des Titelhelden, besitzt, so funktioniert Mad God als 80minütiges Stimmungsbild einer industrialisierten Hölle à la Dantes Inferno in einer Scifi-Horror-Version, bei welcher der Plot um den Attentäter irgendwann zugunsten einer Odyssee in die weiteren Orte der gezeigten Unterwelt fallengelassen wird. Diese düster-schaurige Horrortrip, welcher mich auch an die Kurzfilme The Sprayer (2022) und Duszyczka (The Little Soul, 2019) erinnert, verlangt von den Zuschauer*innen auch einiges an Geduld. Und dennoch kann man sich hier nicht nur ekeln, sondern auch über diese vielschichtige Animationskunst staunen, zumal es hier und da Live-Action-Szenen mit Schauspieler*innen gibt.
Mad God von Phil Tippettist seit dem 23. Mai 2024 auf BluRay sowie als kostenpflichtiger Stream bei diversen Anbietern erhältlich.
Fazit: Ein schauriger, überaus detailreicher Trip durch eine postapokalyptische und niederschmetternde Unterwelt von Effekt-Spezialist Phil Tippett. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 31. Oktober 2024. Bilder: Plaion Pictures/Tippett Studio.
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