My Lady Jane

Jane Grey war im Juli 1553 nach dem Tod ihres Verwandten Edward Vi. für neun Tage Königin von England. Basierend auf dem gleichnamigen Roman erzählt die Miniserie My Lady Jane die Geschichte der Kurzzeit-Monarchin auf etwas andere Art.

My Lady Jane
Historiendrama/Satire UK, USA 2024. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 400 Minuten.
Mit: Emily Bader, Edward Bluemel, Anna Chancellor, Rob Brydon, Dominic Cooper, Jordan Peters, Kate O’Flynn, Abbie Hern, Henry Ashton u.a. Erzähler: Oliver Chris. Nach dem Roman von Jodi Meadows, Brodi Ashton und Cynthia Hand. Adaption: Gemma Burgess. Regie: Jamie Babbitt und Stefan Schwartz.



Von Gestaltwandlern, Gift und Galle

England, 1553. Lady Jane Grey (Emily Bader) ist die älteste von drei Töchtern. Zwar ist ihre Mutter Frances (Anna Chancellor) direkt mit dem Königshaus verwandt, doch nach dem Tod des Vaters steht die Familie quasi mittellos da. Daher muss Jane gegen ihren Willen den Sohn von Lord Dudley (Rob Brydon) heiraten, dessen Haus nicht nur als besonders reich gilt, sondern auch großen Einfluss am Hofe des kränklichen jungen Königs Edward (Jordan Peters). Jane ist not amused. Dabei wollte die intelligente junge Frau doch eigentlich ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben als Heilerin führen. Doch eine Flucht vor der Ehe misslingt. Da entpuppt sich ihr frisch angetrauter Ehemann Guildford (Edward Bluemel) als gar nicht so schlimm wie befürchtet, trotz seines etwas zweifelhaften Rufes und der Tatsache, dass er ein Geheimnis hütet und die Hilfe seiner überaus gebildetenen Gattin benötigt.

England wird unterdessen von der Existenz der sogenannten „Ethians“, Menschen die sich in Tiere verwandeln können, erschüttert. König Edward will auch auf Betreiben seines Kanzler Seymour (Dominic Cooper) gegen die Bedorhung vorgehen. Währenddessen wird der kränkliche, junge Monarch von seinen beiden Schwestern, der herrischen Mary (Kate O’Flynn), und der herzlichen Bess (Abbie Hern) umsorgt. Als Edward unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt erklärt sein Testament völlig überraschend Jane zur Nachfolgerin auf dem Thron…

Jane weiß sich zu wehren

Ich bin ehrlich gesagt ein sehr organisierter Konsument von Filmen und Serien. Für jedes Jahr führe ich darüber mehrere Listen, welche aktuell erscheinenden Werke ich auf der großen Leinwand und im Stream/Heimkino ansehen möchte. Trotzdem stoße ich auch immer wieder zufällig, auf Produktionen, welche ich vorher nicht auf dem Schirm hatte. In den letzten Wochen kam ich daher in den Genuss zweier Historienserien mit sehr ähnlichem Setting (England im 16. bzw. 17. Jahrhundert) und doch ganz unterschiedlicher Ausrichtung. Während Mary & George von D.C. Moore den Aufstieg eines jungen Mannes zum Günstling/Liebhaber des englischen Königs und die Machenschaften von dessen Mutter als albtraumhaftes Intrigenspiel inszeniert so zelebriert My Lady Jane seinen Stoff als alternative „Was-wäre-wenn“-Geschichte mit satirischer Überzeichnung und phantastischem Touch.

In der Welt der achtteiligen Miniserie gibt es nämlich nicht einfach nur „normale“ Menschen, „Verity“ genannt, sondern auch „Ethians“, Gestaltwandler, die sich in Tiere verwandeln können. Weil sie als von den Verity als Ausgeburten des Teufels verfolgt werden leben viele Ethians im Verborgenen oder halten ihre besondere Fähigkeit geheim. Während die meisten bei Hofe also (gelinde gesagt) nicht gut auf die Formwandler zu sprechen sind, so macht die Titelheldin ihre eigene Erfahrungen. Es spricht also allein schon für die auf dem gleichnamigen Roman des Autorinnen-Trios Jodi Meadows, Brodi Ashton und Cynthia Hand basierende sowie von Gemma Burgess adaptierte Produktion, dass für Toleranz in intoleranten Zeiten geworben wird.

Vor allem ist My Lady Jane ähnlich wie The Great  (über die „nicht ganz wahre“ Geschichte von Kaiserin Katharina von Russland) eine bissig-satirische und temporeiche Story über eine junge Frau, die gegen allerlei Widerstände zur Wehr setzt. Die Vorlage gehört tatsächlich in die Kategorie Young Adult, einem Genre, mit welchem ich eher negative Motive wie überkischtigen Romanzen, ein überkommenes Frauenbild und toxische Beziehungen assoziiere, doch My Lady Jane überrascht hier positiv. Die Hauptfigur erweist sich auch aufgrund ihrer sehr guten Bildung im Bereich Pflanzen und Heilkunde als sehr patent, allerdings nicht perfekt. Die ein oder andere ungünstige Entscheidung verbessert die Situation nicht unbedingt. Doch lässt sich die selbstbewusste Jane selten aus der Ruhe bringen und weiß sich zu wehren, auch in den Auseinandersetzungen mit ihrer herrischen Mutter Frances, die klare Vorstellungen davon hat, wie eine Frau sich verhalten muss.

Janes schneidiger Ehemann Guildford

Durch den von Oliver Chris (Emma [2020]) gesprochenen Erzähler wird die Handlung wortgewandt und ironisch kommentiert. Dazu glänzt die Miniserie auch mit musikalischen Einfällen. Da werden Szenen durch „weibliche“ Coverversionen von Rock-Klassikern wie Rebel Rebel von David Bowie oder Wild Thing von The Troggs untermalt und in einer herrlichen lustigen Szene Nights in White Satin von The Moody Blues auf einer Laute beim Anschmachten zum Besten gegeben. Spaßig auch die zum Teil in bester Lustspiel-Manier überzeichneten Figuren, wie Guildfords eitel-einfältiger Bruder Stan oder die herrlich jährzornige Mary.

Bei aller ironischen Brechung und obwohl sich im Finale die Wendungen teils etwas beliebig gestalten funktioniert die ganze Angelegenheit auch in den ersten Momenten. Keine Selbstverständlichkeit. My Lady Jane punktet zudem mit einem starken Ensemble: Emily Bader (Paranormal Activity 7) als Jane Grey, Edward Bluemel (Sex Education) als Guildford Dudley, Anna Chancellor (The Hour) als Janes Mutter Frances, Rob Brydon (Swimming with Men) als Lord Dudley, Kate O’Flynn (Landscapers) als giftige Mary, Henry Ashton als Stan, Dominic Cooper (Fleming) als Lord Seymour und weitere.    

Obwohl das Finale eine Fortsetzung quasi andeutet wurde die Serie leider nach nur acht Folgen schon wieder eingestellt. Schade, denn mindestens für eine weitere Season hätte das Szenario sicherlich noch Potenzial gehabt, vor allem bei dem einigermaßen offenen Ende.

My Lady Jane ist seit dem 27. Juni 2024 Teil des Angebots von Amazon Prime.

Fazit: Die etwas andere Geschichte der „Neun-Tage-Königin“ Jane Grey überzeugt als turbulent-unterhaltsame, feministische und herrlich überzeichnete Historiensatire mit Fantasy-Elementen. 8 von 10 Punkten.

Jane und ihr Cousin, König Edward
Lord Dudley und sein eitler Sohn Stan
Krönungsfeierlichkeiten



Marius Joa, 30. August 2024. Bilder: Amazon.


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