Nimona

Bevor ND Stevenson als Schöpfer und Showrunner der She-Ra-Neuflage wirkte, schuf er mit Nimona eine Graphic Novel über die titelgebende Gestaltwandlerin, die einem „Schurken“ zur Seite steht. Bei Netflix ist vor wenigen Wochen eine Adaption als Animationsfilm erschienen.

Nimona
Animationsfilm USA 2023. 102 Minuten. Starttermin: 30. Juni 2023.
Originalsprecher: Chloë Grace Moretz (Nimona), Riz Ahmed (Ballister Boldheart), Eugene Lee Yang (Ambrosius Goldenloin), Frances Conroy (Director), Beck Bennett (Thoddeus Sureblade) u.a.
Nach der Graphic Novel von ND Stevenson. Drehbuch: Robert L. Baird und Lloyd Taylor. Regie: Nick Bruno und Troy Quane.

Was von Charme und Story übrigblieb

Vor nicht allzu langer Zeit wurde Ballister Boldheart (Originalstimme: Riz Ahmed) wegen eines schrecklichen Verbrechens, das er nicht begangen hatte, aus dem Ritterorden des Instituts des Königreichs geworfen. Sein inniger Freund Ambrosius Goldenloin (Eugene Lee Yang) schlug ihm damals den rechten Arm ab. Seitdem ist Ballister auf der Flucht und versteckt sich in einem alten, abgelegenen Gebäude, wo er sich einen neuen Arm gebaut hat. Eines Tages tritt Nimona (Chloë Grace Moretz) in sein Leben. Das Mädchen hat von Ballisters Ruf als Schurke gehört und möchte ihm als Sidekick dienen. Der geschasste Ritter ist allerdings anfangs nicht begeistert, auch weil Nimonas Fähigkeiten als Gestaltwandlerin für Chaos und Gefahr sorgen. Schließlich überredet sie ihn, Beweise für seine Unschuld zu suchen. Die Direktorin des Instituts beauftragt Ambrosius und den arroganten Thoddeus Surehand (Beck Bennett), die Fahndung nach Ballister zu intensivieren…   

Bereits während des Studiums am Maryland Institute College of Art schrieb und zeichnete ND Stevenson (geboren am 31. Dezember 1991) an Nimona. Die Geschichte über eine jugendliche Gestaltwandlerin, die zum Sidekick eines vermeintlichen Schurken avanciert, wurde erstmals zwischen 2012 und 2014 als Webcomic auf Tumblr veröffentlicht. Das fertige Werk fungierte als die Abschlussarbeit des amerikanischen Künstlers und wurde 2015 durch den Verlag Harper Collins als gedruckte Graphic Novel veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung durch Gerlinde Althoff erschien im gleichen Jahr. Obwohl kurz darauf eine Adaption als Animationsfilm angekündigt wurde stand es um diese lange Zeit nicht gut. Seit Ende Juni ist die Filmversion von Nimona bei Netflix abrufbar. Trotz großer Vorfreude bin ich persönlich von der Verfilmung allerdings einigermaßen enttäuscht.

Ambrosius Goldenloin jagt Ballister und Nimona

Im Großen und Ganzen bleibt die grundlegende Prämisse in der Filmadaption erhalten, doch ändert das Autorenduo Robert L. Baird (Die Monster Uni, Baymax) und Lloyd Taylor (Spione Undercover – Eine wilde Verwandlung) viele Details. Manche dieser Änderung machen durchaus Sinn, etwa dass die Legende der Kriegerin Gloreth und wie sie vor 1.000 Jahren einen Drachen tötete mehr Raum bekommt als sie diese in der Vorlage hat. Doch in zeitlicher Hinsicht geht der Film ansonsten eigene Wege. Liegen im Comic zwischen Ballisters (der hier Boldheart statt Blackheart heißt) Verbannung und der Haupthandlung mehrere Jahre so vergeht in der Adaption nur kurze Zeit. In der Vorlage ein eher introvertierter, ernster Eigenbrötler so wirkt der Film-Ballister bisweilen wie ein Trottel. Generell fügt das Drehbuch der ganzen Geschichte viel Humor hinzu, was für Auflockerung sorgt, aber nicht immer funktioniert. In der Graphic Novel ist die Titelheldin eigentlich allein für Gags zuständig.  

Sowohl die Vorlage als auch die Verfilmung spielen beide in einer Mischung aus mittelalterlichem Fantasysetting und moderner Hightechwelt. Die Filmversion erweitert den Fokus und zeigt das namenlose Königreich in seiner ganzen Pracht, was leider eher weniger zum Vorteil gereicht. Denn einige der Hintergründe wirken steril und unfertig. Zudem erscheinen die Charaktere in Anbetracht ihrer Konturen bisweilen hölzern. Die Optik ist für mich persönlich eine große Enttäuschung. ND Stevenson verwendete für die Zeichnungen des Comics einen besonderen, sympathisch-kindlichen Stil. Diese Ästhetik wurde für die Adaption leider nicht übernommen. Der stattdessen verwendete, fast schon klassische CGI-Stil kann den Charme des Buches leider nur bedingt abbilden. Wobei man zugestehen muss, dass man das Design der Titelheldin aus Stevensons frühen Entwürfen entnommen hat.

Cover der Graphic Novel
(c) HarperCollins

Wie auch ND Stevensons wunderbare Graphic Novel liefert auch der Film trotz seiner großen Unterschiede in der Adaption ein Plädoyer für Toleranz gegenüber dem Andersartigen und Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen einfach anders als die „Normalen“ sind. Im Zentrum steht dabei die jugendliche Gestaltwandlerin Nimona, welche des Öfteren als Monster bezeichnet wird, auch weil sie ihr Umfeld mit ihren ständigen Verwandlungen (in jedes erdenkliche Lebewesen) irritiert und in Gefahr bringt. Nimonas tragische Hintergrundgeschichte wird im Film erweitert, was auch gut funktioniert. Dazu präsentiert sich der von Chloë Grace Moretz (Kick-Ass, Hugo Cabret) und Riz Ahmed (Sound of Metal) angeführte Voicecast der englischen Originalfassung als sehr solide. Dennoch hätte ich gerne eine optisch passendere Verfilmung gesehen.

Nimona ist seit 30. Juni 2023 Teil des Angebots von Netflix.

Fazit: Obwohl die Vorlage in Grundzügen und die Botschaft von Toleranz gegenüber Andersartigem erhalten blieb eine inhaltlich und ästhetisch enttäuschende Adaption der wundervollen Graphic Novel. 5 von 10 Punkten.

Nimona kann auch Feuer spucken
Sterile Hintergründe



Marius Joa, 14. Juli 2023. Bilder: Netflix/Annapurna Animation.


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