Der römische Philosoph, Dramatiker und Politiker Lucius Annaeus Seneca wusste sich auf Befehl von Kaiser Nero das Leben nehmen. Robert Schwentke widmet sich in seinem Film den letzten Stunden im Leben des von John Malkovich gespielten Seneca.
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Seneca – Oder: Über die Geburt von Erdbeben (Seneca – On the Creation of Earthquakes)
Historiendrama/Satire Deutschland, Marokko 2023. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 112 Minuten. Kinostart: 23. März 2023.
Mit: John Malkovich, Lilith Stangenberg, Samuel Finzi, Louis Hofman, Wolfram Koch, Samia Chancrin, Geraldine Chaplin, Alexander Fehling, Annika Meier, Andrew Koji, Julian Sands, Tom Xander u.a. Drehbuch: Robert Schwentke und Matthew Wilder. Regie: Robert Schwentke.
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Der quälende Abgang
65 nach Christus. Als Redner, Politiker, Dramatiker und Philosoph hat sich Seneca (John Malkovich) einen Namen in Rom gemacht und war maßgeblich für die Erziehung des aktuellen Präsidenten Nero (tom Xander) verantwortlich. Doch schon bald ist dem tyrannischen Herrscher der weise und geschwätzige Mann ein Dorn im Auge. Über den Soldaten Felix (andrew Koji) lässt Nero ausrichten, dass sich Seneca selbst das Leben nehmen soll. Seneca, der gerade einen Abend mit seiner Ehefrau Paulina (Lilith Stangenberg), seinen Freund*innen wie Cecilia (Geraldine Chaplin), Rufus (Julian Sands), Fabius (Wolfram Koch) und Balbina (Samia Chancrin) sowie seinen Dienern Status (Samuel Finzi) und Lucilius (Louis Hofmann) verbringt, ist geschockt und beginnt darüber über sein Leben zu sinnieren.
Der seit einiger Zeit überwiegend in Hollywood tätige deutsche Regisseur Robert Schwentke (geboren 1968) hat sich vor allem einen Namen mit großen Blockbustern wie Flightplan (2005), R.E.D. (2010), R.I.P.D. (2013) sowie zwei Teilen der Bestimmung-Reihe gemacht. In seinem 13. Film bewegte sich der 56jährige allerdings in ganz anderen Gefilden, indem er die letzten Tage und Stunden im Leben von Lucius Annaeus Seneca (geboren 4 vor Christus, gestorben 65 nach Christus) als Ausgangspunkt für einen kuriosen Film-Hybrid nimmt. Doch liefert Schwentke hier kein betuliches Geschichtsdramam für passionierte Altphilologen oder Historiker, sondern eine düstere Satire über den quälenden Abgang eines großen Mannes.
Gedreht wurde Seneca – Oder: Über die Geburt von Erdbeben, so der komplette Titel, im September und Oktober 2021 in Quarzazate und Essaouira in Marokko, wo bereits große Historien-Produktionen wie Lawrence von Arabien oder Königreich der Himmel entstanden waren. Die Welturauffühung erfolgte im Februar 2023 auf der Berlinale. Neben dem überaus gefeierten John Malkovich (u.a. Being John Malkovich, R.E.D.) in der zentralen Hauptrolle versammelt die deutsch-marokkanische Co-Produktion eine illustres Schar internationaler Darsteller*innen wie Geraldine Chaplin (Doktor Schiwago), Samuel Finzi (Flemming) und den letztes Jahr verstorbenen Julian Sands (Gothic [1986]) sowie deutsche Akteure um Louis Hofmann (Dark), Wolfram Koch (Tatort: Frankfurt) und Lilith Stangenberg (Blutsauger). Sie alle müssen aber hinter der alles dominierenden Performance von Malkovich als Seneca im Zentrum der Handlung zurückweichen.
Schwentke und sein Co-Autor Matthew Wilder ziehen ihr kurioses „Biopic“ vor allem zu Beginn nichtchronologisch auf. Der Protagonist erinnert sich an manche Momente als Lehrer und späterer Berater von Nero, der hier (wohl als Kommentar auf gewisse aktuelle Amsträger dieser Welt) nicht Kaiser, sondern Präsident genannt wird. Opulente Kulissen sucht man allerdings vergeblich. Weil sich die Szenen überwiegend in ziemlich leerstehenden historischen Gebäuden abspielen und auch nur wenige Requisiten zum Einsatz kommen wirkt das Werk weniger wie ein Kinofilm als vielmehr eine dynamisch gefilmte moderne Theater-Inszenierung, die zudem ein paar absichtliche Anachronismen einstreut, etwa wenn Nero eine Sonnenbrille trägt und eine Art elektrische Gitarre spielt.
Trotz seiner Fehler kommt Seneca durchaus als weiser Mann rüber und wird in seiner komplexen Existenz auch ausreichend nuanciert von John Malkovich gespielt. Gleichzeitig wird der tragische Titelheld aber auch entzaubert, nicht nur durch seine in endlosen Monologen festgehaltenen Selbstzweifel, sondern auch die Frage, ob ihm der Ruhm nicht zu Kopf gestiegen ist und er aufgrund seiner Selbstüberschätzung/ bzw. dauernden Selbstbeweihräucherung nicht mitverantwortlich für die Tyrannei Neros ist. Zudem entwickelt die Situation aufgrund des misslungenen Selbstmordversuches eine düster-abgründige, absurd-komische Note. Durchgehend überzeugen kann das ganze Paket allerdings nicht, auch wenn es wesentlich uninteressante Beschäftigungen gibt, als John Malkovich beim Schwadronieren zuzuhören. Auf viele Zuschauer*innen könnte Schwentkes Film auch etwas zu verkopft wirken.
Seneca von Robert Schwentke ist seit dem 11. August 2023 auf DVD und BluRay sowie als Stream bei diversen Anbietern erhältlich.
Fazit: Sperrig inszenierte, aber düster-bissige Historiensatire über den von John Malkovich stark gespielten Seneca. 7 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 22. November 2024. Bilder: Weltkino/Filmgalerie 451.
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