The Decameron (2024)

Im 14. Jahrhundert wütet in Europa die Pest. Ein italienischer Adelige lädt Freunde, Verwandte und deren Dienerschaft in seine Villa ein, um die Seuche gemeinsam auszusitzen, in der Miniserie The Decameron von Kathleen Jordan, frei nach Giovanni Boccaccios Geschichtensammlung.

The Decameron
Historien-Comedy-Miniserie USA 2024. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 440 Minuten.
Mit: Amar Chadha-Patel, Leila Farzad, Lou Gaia, Karan Gill, Tony Hale, Saoirse-Monica Jackson, Zosia Mamet, Douggie McMeekin, Jessica Plummer, Tanya Reynolds u.a. Frei nach Il Decamerone von Giovanna Boccaccio. Idee: Kathleen Jordan. Regie: Michael Uppendahl, Andrew DeYoung, Anya Adams.



Munteres Lockdown-Treiben im Mittelalter

Florenz, im Jahre 1348. Die Stadtbevölkerung wird brutal von der Pest dahingerafft. In diesen aussichtslosen Zeiten lädt Visconti Leonardo (Davy Eduard King) eine Gruppe Adeliger und ihre Dienerschaft in seine Villa Santa auf dem Land ein. In den großzügigen Räumlichkeiten des Landsitzes soll die Zeit der Plage bei guter Gesellschaft und gutem Essen ausgeharrt werden. Neben Pampinea (Zosia Mamet), die mit Leonardo verlobt ist, und ihrer Zofe Misia (Saoirse-Monica Jackson), finden sich dort auch der Aufsteiger Panfilo (Karan Gill), seine gottesfürchtige Gattin Neifile (Lou Gaia), der hypochrondrische Tindaro (Douggie McMeekin), sein Leibarzt Dioneo (Amar Chadha-Patel) Leonardos Cousine Filomena (Jessica Plummer) und ihre Dienstmagd Licisca (Tanya Reynolds) ein. Hausverwalter Sirisco (Tony Hale) und Köchin Stratilia (Leila Farzad) haben alle Hände voll zu tun, die Gäste bei Laune zu halten, zumal Leonardo durch Abwesenheit glänzt…

Il Decamerone, zu deutsch Der Dekamerone, ist eine Sammlung von einhundert Erzählungen von Giovanni Boccaccio (1313-1375), die vermutlich zwischen 1349 und 1353 entstanden. In der Rahmenhandlung flüchten sich sieben Frauen und drei Männer für zehn Tage auf einen Landsitz in der Nähe von Florenz, um der Bedrohung durch die Pest zu entgehen. An jedem Tag werden von den Anwesenden jeweils zehn Geschichten erzählt. Autorin und Produzent Kathleen Jordan (Teenage Bounty Hunters) dienste die Ausgangsposition für die vorliegende Netflix-Produktion. Gedreht wurde die achtteilige Miniserie von Januar bis Juni 2023 in den altehrwürdigen Cinecittá-Studios in Rom sowie in und um das Castello Ruspoli. The Decameron versammelt eine illustre Schar vor allem als Serienstars bekannter Schauspieler*innen wie Saoirse-Monica Jackson (Derry Girls), Zosia Mamet (Girls), Tony Hale (Arrested Development) und Tanya Reynold (Sex Education).

Hausverwalter Sirisco begrüßt die Gäste

Die weiträumigen Lockdowns während der Corona-Pandemie Anfang dieses Jahrzehnts und die historische Ausgangssituation für Boccaccios Werk und die Serie weisen kuriose Parallelen auf. Um zu überleben, sollte man sich möglichst in das eigene Heim zurückziehen. Mit dem gemeinsam „Verschanzen“ einer Gruppe von Freund*innen während der Hochphase von Covid19 befasste sich auch der russisch-amerikanische Schriftsteller Gary Shteyngart in seinem Roman Landpartie (2021). Die Sache mit dem Reihum-Geschichtenerzählen als Zeitvertreib nutzt die Miniserie nur vereinzelt. Vielmehr nehmen Jordan und ihr Team das Szenario zum Anlass die absurde Situation der Figuren, die ungerechte mittelalterliche Welt und menschliche Schwächen auszuloten.

Jeder insgesamt zehn Hauptcharaktere trägt entweder ein Geheimnis mit sich herum oder scheint der Lage so überhaupt nicht gewachsen. Die fortwährende Abwesenheit des Hausherrn und das unmöglich egoistische Benehmen mancher Gäste droht den Frieden und die Unversehrtheit des spätmittelalterlichen Lockdowns zu gefährden. Die anwesenden „Flüchtlinge“ sind eben kein Ensemble eingespielter Freund*innen, sondern ein zusammengewürfelter Haufen, bei welchem sich die einzelnen Parteien untereinander bisher kaum oder gar nicht kennen.

In den gut sieben Stunden Spielzeit spart der Achtteiler auch nicht mit turbulenten Wendungen, von denen sich einige auch sehr abgründig gestalten. Nur leider wirkt die Handlung insgesamt als etwas zu unausgegoren. Langeweile kommt hier nicht wirklich auf, aber für eine wirklich gelungene Satire über damals herrschende Verhältnisse, welche sich bis heute vielleicht gar nicht so sehr geändert haben, fehlt es The Decameron an durchgehendem humorvollen Esprit und passendem Tempo, was vor allem bei den überwiegend Comedy-versierten Akteur*innen sehr schade ist. Vor allem Tanya Reynolds, die ich schon in Sex Education hervorragend fand, kann hier zeitweise groß aufspielen. Perfekt in ihre Rollen passen auch Zosia Mamet als überdrehte Pampinea, Saoirse-Monica Jackson als treue Zofe Misia, Douggie McMeekin als überempfindlicher Tindaro (optisch eine Mischung aus Will Ferrell, Matt Damon und dem bekannten Fernsehmaler Bob Ross) und Tony Hale als genervter Hausverwalter Sirisco. Außerdem hat das Team von Szenenbildner Luca Tranchino (Domina [Serie]) hier bei den detailreichen Kulissen beeindruckende Arbeit geleistet.

The Decameron von Kathleen Jordan ist seit dem 25. Juli 2024 Teil des Angebots von Netflix.

Fazit: Trotz opulentem Setting und gut aufgelegten Darsteller*innen mangelt es The Decameron insgesamt an Witz und Tempo. 6 von 10 Punkten.


Pampinea und ihre Zofe Misia
Hypochonder Tindaro und sein Leibarzt Dioneo
Spiel und Spaß im Garten



Marius Joa, 30. November 2024. Bilder: Netflix.


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