Wakefield (Miniserie)

Die Mitarbeiter*innen und Patient*innen einer Psychiatrie stehen im Mittelpunkt von Wakefield. Dank Arte hat die australische Miniserie von Kristen Dunphy zweieinhalb Jahre nach der Premiere in Down Under ihren Weg nach Deutschland gefunden.  

Wakefield
Drama/Miniserie Australien 2021. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 453 Minuten.
Mit: Rudi Dharmalingam, Geraldine Hakewill, Mandy McElhinney, Felicity Ward, Harry Greenwood, Sam Simmons, Bessie Holland, Dan Wyllie, Guy Simon, Shappor Batliwalla, Nadie Kammallaweera, Pacharo Mzembe, Harriet Dyer, Ryan Corr u.v.a. Idee: Kristen Dunphy. Drehbuch: Kristen Dunphy, Sam Meikle, Joan Sauers, Cathy Strickland. Regie: Jocelyn Moorhouse und Kim Mordaunt.



Vor dem Abgrund

Nikhil „Nik“ Katira (Rudi Dharmalingam) arbeitet als Pfleger auf Station C der Psychiatrie Wakefield in den Blue Mountains von Australien, erweist sich dabei immer wieder als einfühlsam und kreativ im Umgang mit den Patient*innen und ihren individuellen Leiden. Pflegedienstleistung Linda Crowley (Mandy McElhinney) sind seine Methoden allerdings ein Dorn im Auge. Sie hat die Führungsposition nur vorübergehend übernommen und sieht in Nik einen Konkurrenten. Nik hat unterdessen mit eigenen Problemen zu kämpfen, die mit einem tragischen Ereignis aus seiner Kindheit zusammenhängen. Vor allem geht dem jungen Mann ein Lied nicht aus dem Kopf: Come On Eileen von Dexys Midnight Runners. Niks Kolleg*innen, die esoterische veranlagte Colette (Felicity Ward) und der nüchterne Pete (Sam Simmons) sind auch schon genervt.

Dr. Kareena Wells (Geraldine Hakewill), Niks Ex-Verlobte, arbeitet als leitende Ärztin auf der Station und hat Schwierigkeiten, den Selbstmord einer Patientin, der sie nicht helfen konnte, zu verarbeiten. Zu den Patient*innen der Station C zählen der Geschäftsmann James (Dan Wyllie), der ständig einem neuen bahnbrechenden Deal nachjagt, die am Messie-Syndrom leidende Hutmacherin Tessa (Bessie Holland) und der Musiker Trevor (Harry Greenwood), welcher sich von einer Drogen-induzierten Psychose erholt. Die bipolare Genevieve (Harriet Dyer) erlebt eine nymphomanische Episode, welche sie völlig aufgelöst zurücklässt. Ehemann Raff (Ryan Corr) versucht alles, um ihr zu helfen. Abseits von der Arbeit hat Nik auch noch die besondere Aufgabe als Trauzeuge die Hochzeit seiner Schwester Renuka (Monica Kumar) vorzubereiten…

Linda und Colette

Geschaffen wurde die Miniserie von Kristen Murphy (u.a. Autorin und Story Editor bei Miss Fishers mysteriöse Mordfälle), die auch bei vier der insgesamt acht Episoden die Drehbücher selbst schrieb. Die Handlung spielt in der titelgebenden Psychiatrie in den Blue Mountains, einer Gebirgsregion etwa 50 km westlich von Sydney. Die dort und in den Southern Highlands von New South Wales durchgeführten Dreharbeiten mussten sowohl wegen Buschbränden als auch der ersten Welle der Corona-Pandemie zwischenzeitlich gestoppt werden. Die malerischen Bilder von Wäldern und majestätischen Bergpanoramen bilden eine beeindruckende Naturkulisse und illustrieren gekonnt den immer schwierigeren Geisteszustand des Protagonisten Nik.  

Bezüglich der inhaltlichen Gestaltung wird bei Wakefield jede Episode aus der Sicht mehrerer Charaktere erzählt. Nik steht natürlich im Mittelpunkt der Handlung, doch auch diverse andere Figuren erhalten ihr Point-of-View-Kapitel, von denen manche der Patient*innen nur in ein oder zwei Folgen auftreten. Bei den unterschiedlichen Perspektiven innerhalb einer Episode überlappen sich die unterschiedlichen Blickwinkel nur bei wenigen Szenen, so dass eine subjektive Dopplung wie in The Affair  nicht vorkommt. Desweiteren gibt es immer wieder und immer mehr fragmentarische Erinnerungen Niks an seine Vergangenheit, welche seine Geschichte und die seiner Familie kontinuierlich wie ein Puzzle entschlüsseln. Und dann wären dann noch die überraschend eingestreuten Musical-Phantasien. Unabhängig davon und dem fast durchgehend angespielten Hit Come On Eileen besticht die australische TV-Produktion auch durch einen leisen, aber wirkungsvollen Score der beiden Komponistinnen Caitlin Yeo und Maria Alfonsina.

Obwohl bisweilen Realität und Fantasie, Traum und Wirklichkeit zu verschmelzen scheinen so präsentiert sich der Achtteiler durchgehend authentisch. Personal und Patient*innen sowie Innenleben der Psychiatrie wirken echt und zu keiner Zeit droht die Story in reißerische Gefilde abzudriften. Noch dazu werden die einzelnen Leidengeschichten der Wakefield-Bewohner einfühlsam erzählt, was sich wiederum im Umgang Niks mit seinen Schützlingen widerspiegelt. Im Finale entfaltet sich dann das von Kristen Dunphy und ihrem Team gekonnt gewobene Storygeflecht auf intensive Weise. Umso bedauerlich, dass es über zwei Jahre gedauert hat bis diese tolle, bewegende Serie ihren Weg zu uns gefunden hat.     

Bezüglich des bunten Ensembles setzte man hier auf international überwiegend unbekannte Akteure. Rudi Dharmalingam (In the Shadow of the Moon) spielt den innerlich zerrissenen Helden Nik nuanciert und ohne großes Aufheben. Zwei Darsteller*innen waren mir vorher schon ein Begriff. Geraldine Hakewill, bekannt als Titelheldin in der Sixties-Krimiserie Miss Fishers neue mysteriöse Mordfälle (2019/21), ist hier als erfolgreiche, aber nicht glückliche ärztliche Leiterin Kareena zu sehen. Pacharo Mzembe kenne ich aus Staffel 2 der herrlich durchgeknallten Nazisploitation-Serie Danger 5. Hier verkörpert er den unerfahrenen und überforderten Arzt Rohan Achebe. Einen starken Eindruck hinterlassen außerdem Mandy McElhinney als widersprüchliche Linda, Felicity Ward als sonnige Colette und Harry Greenwood (der Sohn von Hugo Weaving) als Musiker Trevor. Mein persönliches Highlight waren allerdings die bewegenden Performances von Harriet Dyer und Ryan Corr als Ehepaar Genevieve und Raff, deren Ehe an ihren starken manischen Phasen zu zerbrechen droht.    

Die achtteilige Miniserie Wakefield ist noch bis 13. Februar 2024 als Stream in der deutschen Synchronfassung und der englischen Originalversion (mit zuschaltbaren Untertiteln) in der Arte Mediathek abrufbar. Am 15. Dezember 2023 wird die Veröffentlichung auf DVD erfolgen.

Fazit: Authentisch, bewegend, stark gespielt und erzählt. Die australische Miniserie Wakefield ist eine echte Entdeckung! 9 von 10 Punkten.



Raff und Genevieve
Trevor, Omar und Mr. Invisible



Marius Joa, 6. Dezember 2023. Bilder: ABC/BBC/Polyband.


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