Wir Wählerinnen und Wähler entscheiden über die politische Ausrichtung, über das Personal, das uns führen soll. Oder? Vielleicht sind es aber auch Lobby-Agenturen, die uns viele Entscheidungen abnehmen? Mit solchen Themen beschäftigt sich eine aktuelle ARD-Serie.
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Wo wir sind, ist oben
Dramedy-Serie Deutschland, 2024. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 400 Minuten.
Mit: Helgi Schmid, Nilam Farooq, Jan Gregor Kremp, Ulrike Kriener, Valerie Stoll, Simon Pearce, Annabelle Mandeng u.a. Idee: Christian Jeltsch. Regie: Wolfgang Groos.
In der ARD-Serie Wo wir sind, ist oben geht es um die undurchsichtigen Machenschaften des Lobbyismus in Berlin. Max Lentor, gespielt von Helgi Schmid, ist ein aufstrebender Lobbyist bei der Firma ABC & Partner, während Valerie Hazard (Nilam Farooq) für die konkurrierende Firma Pegasus Consultings arbeitet. Beide finden sich in einem Netz aus Intrigen, Machtkämpfen und moralischen Dilemmas wieder, während sie versuchen, ihre jeweiligen Ziele zu erreichen. Die Serie folgt ihren beruflichen und persönlichen Konflikten.
Was, wenn das alles wirklich so ist?!
Wo wir sind, ist oben setzt sich mutig mit dem komplexen Thema des Politikbetriebs und des Lobbyismus auseinander. Die Serie bietet einen interessanten Einblick in eine Welt, die oft im Verborgenen agiert und nur selten so detailliert dargestellt wird. Klar, die Handlung ist fiktiv, viele der dargestellten Situationen und Mechanismen spiegeln aber mit Sicherheit tatsächliche Abläufe in der Politik wider. Es ist offensichtlich, dass die Macher der Serie gut recherchiert haben, und das es für einige der Figuren Beispiele aus der Realität gibt.
Die Serie ist auch in den Nebenrollen top besetzt, zum Beispiel mit Ulrike Kriener, die eine gealterte Lobbyistin mit besten Beziehungen spielt.
Die Schauspielerwahl ist hervorragend. Helgi Schmid und Nilam Farooq liefern starke Performances ab und tragen wesentlich zur Intensität und Glaubwürdigkeit der Serie bei. Besonders hervorzuheben ist Jan Gregor Kremp, der in seiner Rolle als Dr. Jan Janussen brilliert, nachdem er vor einiger Zeit als Der Alte in der gleichnamigen ZDF-Serie den Dienst quittiert hat. Seine besten Szenen: In seinem Büro findet sich, neben einem Schreibtisch, nicht etwa eine gemütliche Sitzecke, sondern ein Floating-Tank, den er gerne auch während der Arbeitszeit nutzt und darin liegend seine Entscheidungen fällt.
Ein Highlight der Serie sind die vielen kuriosen Details aus dem Politikbetrieb und dem Lobbyismus, die unterhaltsam, aber auch möglicherweise erschreckend realistisch sind. Vielleicht gut, dass wir als Bürgerinnen und Bürger nicht alles so genau wissen, was wirklich vor sich geht. Von fragwürdigen Gesetzesänderungen über geheime Absprachen bis hin zu persönlichen Vendetten bietet die Serie eine breite Palette an Geschichten, die die dunklen Seiten der Politik beleuchten.
Der Chef beim Floaten …
Allerdings gibt es in der Mitte der Serie einige Durchhänger. Die Handlung verliert zeitweise an Tempo und Spannung, was etwas Geduld abverlangen kann. Doch wer durchhält, wird mit einem Finale belohnt, das einige überraschende Wendungen bereithält und die Charaktere noch einmal in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Fazit: Wo wir sind, ist oben ist eine sehenswerte Serie, die es schafft, den Lobbyismus und seine Auswirkungen auf die Politik auf unterhaltsame und gleichzeitig nachdenkliche Weise darzustellen. Trotz kleiner Schwächen in der Mitte überzeugt sie durch starke schauspielerische Leistungen und eine fesselnde und zugleich verstörende Darstellung der politischen Machenschaften. Insgesamt verdient die Serie sich damit 7 von 10 Punkten.
Die Serie ist noch bis Juni 2025 in der ARD Mediathek kostenfrei abrufbar.
Johannes Michel, 16. August 2024. Bilder: ARD Degeto
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