American Gods: Staffel 3

Trotz einer durchgehend hochwertigen Inszenierung und eines illustren Casts konnte American Gods, die Serien-Adaption des gleichnamigen Romans von Neil Gaiman, in der zweiten Staffel nicht an die herausragende erste anknüpfen. Anfang des Jahres erschien Season drei, in welcher Protagonist Shadow Moon im beschaulichen Lakeside landet.


American Gods: Staffel 3 (American Gods: Season 3)
Fantasyserie USA 2021. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 513 Minuten.
Mit: Ricky Whittle, Ian McShane, Emily Browning, Yetide Badaki, Bruce Langley, Omid Abtahi, Demore Barnes, Lela Loren, Ashley Reyes, Crispin Glover, Eric Johnson, Julia Sweeney u.a. Nach dem Roman von Neil Gaiman.

 



Kein Wintermärchen

Durch göttliche Kräfte konnte Shadow Moon (Ricky Whittle) der Polizeirazzia in Cairo entkommen. In Milwaukee hat er unter anderer Identität neu angefangen. Eigentlich hat Shadow dem Zwist zwischen alten und neuen Göttern abgeschworen. Doch plötzlich taucht sein Vater Wednesday (Ian McShane), auch bekannt als nordischer Gott Odin, auf und lotst ihn in die Kleinstadt Lakeside in Wisconsin. Dort wird Shadow, der nun den Namen Mike Ainsel führt, von der einflussreichen Ladenbesitzerin Ann-Marie Hinzelmann (Julia Sweeney) willkommen geheißen. Er bezieht eine Wohnung neben der Lokaljournalistin Marguerite Olson (Lela Loren) und lernt die anderen wichtigen Bewohner der Stadt wie den Polizisten Chad (Eric Johnson) kennen. Shadows Ex-Ehefrau Laura (Emily Browning) versucht unterdessen den toten Leprechaun Mad Sweeney wieder zum Leben zu erwecken, wobei sie dadurch im Fegefeuer landet. Während Wednesday mit Hackerin Cordelia (Ashley Reyes) im Schlepptau, weiterhin andere alte Gottheiten wie Demeter (Blythe Danner) und Tyr (Denis O’Hare) versucht für den Kampf gegen die neuen Götter anzuwerben, sind diese auch nicht untätig geblieben. Mr. World (Dominique Jackson/Danny Trejo/Crispin Glover) steht kurz vor der Fertigstellung einer alles kontrollierenden App namens SHARD. Sein Helfershelfer Technical Boy (Bruce Langley) hat nach einer folgenreichen Begegnung mit der antiken Liebesgöttin Bilquis (Yetide Badaki) allerdings mit gravierenden technischen Problemen zu kämpfen. Nach einigen Tagen wird Shadow klar, dass Lakeside ein dunkles Geheimnis hütet. Immer wieder erlebt er merkwürdige Visionen…

20 Jahre nach dem Urban-Fantasy-Roman des britischen Autors Neil Gaiman erschien die dritte Staffel der Serien-Adaption von American Gods. Unter der Ägide der ursprünglichen Showrunner/Chefautoren Bryan Fuller (bekannt für seine Arbeit an mehreren Star Trek-Serien und u.a. Pushing Daisies) und Michael Green (schrieb u.a. die Drehbücher zu den Filmen Logan und Blade Runner 2049) avancierte die achtteiligte erste Staffel zu einer faszinierenden Mixtur aus phantastischem Roadtrip und satirischem, historisch-mythologisch stark unterfüttertem Gesellschaftsdrama, obwohl man eigentlich 10 Folgen drehen wollte und trotz Reduzierung der Episodenanzahl das Budget um 30 Millionen Dollar überzog. Eher glücklos präsentierte sich die Show des amerikanischen Pay-TV-Senders Starz allerdings danach. Fuller und Green warfen mitten in der Vorbereitung von Season 2 das Handtuch, nachdem sie bereits die Hälfte der Skripts geschrieben hatten. Jesse Alexander übernahm den Showrunner-Posten, wurde aber vor dem Dreh des Staffelfinales gefeuert. Wieder waren die Kosten zu hoch und erneut wurde daraufhin die Episodenorder von zehn auf acht reduziert. Staffel 2 erwies sich dann immer noch als inszenatorisch stark, aber inhaltlich lange nicht mehr so gelungen. Seit März diesen Jahres liegt Staffel 3 komplett vor. Dieses Mal ging die Produktion unter der Ägide des neuen Showrunners Charles H. Eglee (The Shield, Dexter) fast reibungslos über die Bühne. Lediglich die Post Production wurde möglicherweise durch die Covid19-Pandemie etwas verzögert. Und dieses Mal umfasst die Staffel auch wirklich 10 Folgen. Im Anschluss an die Ausstrahlung des Staffelfinales wurde die Serie aber bedauerlicherweise eingestellt. Jammerschade, auch wenn sich die Angelegenheit wie im zweiten Jahr wieder als inhaltlich durchwachsen gestaltet.

Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich die Vorlage von Meister Gaiman nicht kenne und daher nicht wirklich sagen kann, ob und inwieweit sich die Fernseh-Adaption werkgetreu gestaltet. Meiner Vermutung nach hat sich die Serie vom Roman wohl ziemlich entfernt, was jetzt nicht unbedingt etwas Schlechtes bedeuten muss. Doch nach der hervorragenden ersten Staffel, die sich aber auch wie ein Appetizer für mehr anfühlte, verlor die Verfilmung aus meiner Sicht den Fokus. Das lag jetzt auch nicht an der gewohnten Mischung aus den zentralen Handlungssträngen und den immer wieder eingestreuten Sequenzen, welche die historisch-mythologischen oder sozialen Zusammenhänge erklären. Dieses Nebeneinander von Serienhandlung und didaktischen Elementen zählt für mich zu den Stärken der Show, vor allem weil sich dadurch auch wirkungsvoll die unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Spannungsfelder in den USA von heute darstellen lassen. Und auch die stetig gemächliche Erzählweise lässt sich als Veranschaulichung für das Zeitgefühl der seit Jahrtausenden existenten alten Götter verstehen. Die Irritation des Protagonisten Shadow Moon, der immer weiter in die Machenschaften der übermenschlichen Mächtigen gezogen wird, spiegeln die Perspektive der Zuschauer gekonnt wieder.

Doch insgesamt wirkt die Geschichte zu oft zu ziellos. Es werden Visionen, göttliche Eingebungen, Träume und ähnliches immer wieder eingestreut, welche gefühlt zu oft ins Leere laufen. Der ständige Wechsel bei Produzenten, Regisseuren, Autoren (jede Staffel ein anderes Team) und teils auch bei den Schauspielern haben der Qualität des Endprodukts auf Dauer sicher mehr geschadet als genutzt. Ein stimmiges Gesamtbild tritt zu selten ans Tageslicht, wie bei einer Wundertüte mit wenig homogenem Inhalt. Im Vergleich zu den ersten beiden Jahren gibt es hier weniger erklärende Abschnitte, dafür mit Shadows Erlebnissen in Lakeside, Wednesdays weiteren Road-Trip-Abenteuern, Lauras Antiheldinnenreise und Technical Boys Selbstfindungstrip gleich mehrere durchgehende Storylines. Showrunner Eglee und das Autorenteam nutzen diesbezüglich die höhere Episodenanzahl gut aus und bringen einige Plotpoints endlich mal weiter. Nur leider nicht besonders erfüllend.

Im Vorfeld von Season drei gab es zudem einen heftigen Cut bei der Hauptbesetzung. Pablo Schreiber (Mad Sweeney), Mousa Kraish (Jinn) und Orlando Jones (Mr. Nancy) kehrten nicht zurück, was zumindest bei Schreiber Sinn macht. Neben Ashley Reyes, die als technisch begabte Cordelia, die neue Assistentin von Mr. Wednesday, neu in die göttlichen Angelegenheiten involviert wird, stoßen weitere Neuzugänge zum Ensemble hinzu. Der gewohnt unheimliche Crispin Glover darf sich dieses Mal seine Rolle als Mr. World mit Dominique Jackson alias Ms. World und Danny „Machete“ Trejo teilen. Julia Sweeney (Stuart Little, Work in Progress) spielt Ann-Marie Hinzelmann, die De-Facto-Bürgermeisterin von Lakeside. Blythe Danner (Futureworld, Akte X – Der Film) ist als griechische Göttin Demeter zu sehen, mit welcher Wednesday eine bewegte Vergangenheit hat. Außerdem neu dabei: Denis O’Hare (Dallas Buyers Club, American Horror Story) als nordischer Gott Tyr, Eric Johnson (Flash Gordon, Serie) als Lakeside-Polizist Chad, Lela Loren als Journalistin Marguerite Olsen und Game of Thrones-Bösewicht Iwan Rheon als Leprechaun Doyle. Schock-Rocker Marilyn Mansons Rolle als Metal-Musiker Johan Wengren wurde um eine Episode gekürzt, nachdem im Januar 2021 Missbrauchsvorwürfe mehrerer Frauen gegen ihn bekannt wurden. Die Darstellerleistungen bewegen sich auf gewohnt hohem Niveau und haben sicherlich auch dafür gesorgt, dass man die ein oder andere Figur in sein Serienherz geschlossen hat. Trotz der personellen Umwälzungen hinter den Kulissen präsentieren sich alle drei Seasons von American Gods dank der hypnotisch, teils psychedelischen Inszenierung visuell aus einem Guss.

Am Ende muss sich die Serie vermutlich den Vorwurf gefallen lassen, dass man (vielleicht wegen der vom Unglück verfolgten Produktion) drei Staffeln mit 26 Folgen nicht oder zu spät auf den Punkt gekommen ist. Nachdem Ende März 2021 bekannt wurde, dass die Show eingestellt wird, gab es kurzzeitig Gerüchte über ein mögliches Finale in Spielfilmlänge oder gar als Miniserie. Mehr als Wunschdenken war das aber bisher nicht. Schade, denn nach dem Cliffhanger im Staffelfinale wären in vielerlei Hinsicht die Karten neu gemischt worden. So bleibt es dann eben bei einer in gewisser Hinsicht einmaligen, aber unvollendeten Roman-Adaption.

Staffel 3 von American Gods ist seit dem 22. März 2021 komplett bei Amazon Prime verfügbar und seit 23. September auf DVD bzw. BluRay erhältlich.

Fazit: Auch in der dritten und leider letzten Staffel erweist sich American Gods als hochkarätig inszenierte und besetzte Urban-Fantasy-Serie, die inhaltlich etwas zu wünschen lässt. 7 von 10 Punkten.


Polizeichef Chad und Ladenbesitzerin Hinzelmann

Laura landet im Fegefeuer


Technical Boy hat Probleme


Salim und Laura verhandeln

 

Marius Joa, 28. November 2021. Bilder: Amazon/Starz/Studiocanal.

 

 

 

 


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