Mit Dark wurde Anfang Dezember die erste deutsche Netflix-Serie überhaupt veröffentlicht, die noch dazu hierzulande unerwünschte Genre-Pfade stimmungsvoll durchwandelt.
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Dark – Staffel 1
Mysteryserie Deutschland 2017. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 500 Minuten. Erstausstrahlung: 1. Dezember 2017.
Mit: Louis Hofmann, Oliver Masucci, Karoline Eichhorn, Jördis Triebel, Maja Schöne, Stephan Kampwirth, Daan Lennard Liebrenz, Andreas Pietschmann, Deborah Kaufmann, Lisa Vicari, Paul Lux, Hermann Beyer, Moritz Jahn, Peter Benedict, Ella Lee, Ludger Bökelmann, Gina Stiebitz, Anne Ratte-Polle, Nele Trebs, Peter Schneider, Mark Waschke u.v.a. Idee: Baran bo Odar und Jantje Friese. Regie: Baran bo Odar.
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Atmosphärisches Genre-Garn
November 2019. In der Kleinstadt Winden verschindet der 15jährige Erik Obendorf (Paul Radom), der unter seinen Mitschülern als Drogendealer fungierte. Auch nach tagelangen Suchaktionen der Polizei unter Charlotte Doppler (Karoline Eichhorn) gibt es keine Spur vom vermissten Teenager. Magnus Nielsen (Moritz Jahn), seine Schwester Martha (Lisa Vicari), deren Freund Bartosz Tiedemann (Paul Lux) und Jonas Kahnwald (Louis Hoffmann), dessen Vater Michael (Sebastian Rudolph) sich vor ein paar Monaten umbrachte, machen sich im Wald auf die Suche nach Eriks Drogenversteck. Dabei geht ihnen der 11jährige Mikkel Nielsen (Daan Lennard Liebrenz), der kleine Bruder von Magnus und Martha, verloren. Die Polizei durchsucht erneut den Wald und die umliegenden Gebiete, doch Mikkel bleibt verschwunden. Sein Vater, der Polizist Ulrich Nielsen (Oliver Masucci), vermutet einen Zusammenhang mit dem angrenzenden Atomkraftwerk und bittet seine Vorgesetzte Charlotte Doppler einen Durchsuchungsbefehl zu erwirken. Charlottes Schwiegervater, der demente 75jährige Helge Doppler (Hermann Bayer) flüchtet erneut aus seinem Pflegeheim und stammelt kryptische Sätze.
Die Ehe von Ulrich Nielsen und seiner Gattin Katharina (Jördis Triebel), Direktorin der örtlichen Schule, droht durch das Verschwinden ihres jüngsten Kindes zu zerbrechen. Seit dem Selbstmord ihres Mannes haben Jonas Kahnwalds Mutter Hannah (Maja Schöne) und Ulrich eine Affäre. Jonas macht sich selbst auf die Suche nach Mikkel und erforscht die unheimlichen Höhlen. Mehrere Geheimnisse liegen inmitten der Kleinstadt Winden verborgen und die Ereignisse der Gegenwart scheinen mit früheren Vorkommnissen von 1986 in Zusammenhang zu stehen, die wiederum auf das Jahr 1953 zurückgehen, in welchem das Atomkraftwerk gebaut wurde. Seitdem kommt es immer wieder zu merkwürdigen Stromausfällen und Tiere sterben scheinbar ohne Fremdeinwirkung…
Deutsche Genre-Produktionen fristen fast ausnahmslos ein Nischendasein, vor allem im krassen Vergleich zu den unzähligen Krimiserien, Kitsch-Dramen und Seifenopern/Telenovelas, die über hiesige Fernsehbildschirme flimmern. Eine längst überfällige Änderung diess Zustandes bietet die Transformation der Sehgewohnheiten in der Abkehr vom stationären Fernsehen zur flexiblen Form des Streamings. Denn mit Dark hat der thematisch äußerst vielfältig aufgestellte Ondemand-Anbieter Netflix die erste deutsche Streamingserie produziert, welche zudem zeigt, wie man eine hochwertige Genre-Show im kolportierten Land der Dichter und Denker machen kann und künftig hoffentlich häufiger wird.
Ins Leben gerufen wurde Dark von Regisseur Baran bo Odar und seiner Ehefrau, Drehbuchautorin Jantje Friese. Beide wurden von Netflix mit der Entwicklung einer Serie betraut, weil ihr Hacker-Thriller Who Am I – Kein System ist sicher (2014) überaus erfolgreich war. Auch wenn die deutsche Mysteryshow sich thematisch mit Produktionen wie Stranger Things (ebenfalls bei Netflix) und Twin Peaks (2017 gab es hierzu eine späte Fortführung) überschneidet, so ist sie zu keiner Zeit ein lauer Aufguss bekannter Elemente. Insgesamt ähnelt Dark noch am ehesten The Returned (OT: Les Revenants), jener französischen Drama-Serie über ein Dorf in den Alpen, das plötzlich die Rückkehr der eigenen Toten miterleben muss.
Von Beginn an wird eine unheilvolle Trostlosigkeit aufgebaut. Der Himmel meist grau-verregnet, die Straßen und Örtlichkeiten menschenleer. Erstaunlich, dass Leute in so einer Tristesse leben können und deshalb kaum verwunderlich, dass manche Einwohner aus Winden weg wollen. Neben den meist ruhigen, nicht selten in langen Takes eingefangenen Bildern von Kameramann Nikolaus Summerer (Who Am I, Unter der Sonne) sorgen Musik und Sounddesign für beklemmende Szenerien, vor allem rund um die Höhlen und den als wichtigen „Nebencharakter“ agierenden, düster-verwunschenen Wald. Obwohl der Score des Australiers Ben Frost (Sleeping Beauty) an manchen Stellen etwas weniger auf fast plumpe Streicher-Crescendi hätte setzen können. Aus inszenatorischer Sicht erweist sich Dark aber auf jeden Fall als sehr stark. Leider mit Ausnahme der Dialoge. Diese sind im Vergleich zur übrigen Soundkulisse viel zu leise und daher oft schwer zu verstehen. Und wenn man sie dann doch mitbekommt, wirken die Dialoge nicht selten ziemlich gestelzt oder abgenutzt und werden dazu von manchen Darstellern recht lieblos dargeboten. Im ansonsten soliden Schauspieler-Ensemble überzeugen vor allem die jungen Akteure wie Louis Hofmann als Jonas Kahnwald oder Lisa Vicari als Martha Nielsen.
An der Grenze zwischen Kleinstadt-Drama, Mystery und Zeitreise-Thriller spinnen die Autoren ein Story-Garn, welches die Zuschauer in ein Labyrinth diverser Verwicklungen führt, die sich über drei Zeitebenen ausbreiten. Die verschiedenen Handlungsstränge werden im Verlauf erst allmählich entwirrt und so manche Wendung vermag zu überraschen. Das Konstrukt erweist sich zu komplex um es in zehn Folgen adäquat auflösen zu können. Umso erfreulicher, dass Netflix nach der guten internationalen Resonanz am 20. Dezember 2017 eine zweite Staffel bestellt hat. Dark wird in absehbarer Zukunft nicht im regulären deutschen Fernsehen laufen, erhielt dank der Veröffentlichung bei Netflix in 190 Ländern eine Reichweite wie sie noch keine deutsche Serie zuvor erleben durfte.
Die zehn Folgen der ersten Staffel von Dark sind seit dem 1. Dezember 2017 bei Netflix abrufbar.
Fazit: Baran bo Odar und Jantje Friese gelingt mit der ersten Staffel von Dark eine äußerst stimmungsvolle und inhaltlich dicht verwobene Genre-Serie, die allerdings mit schwachen Dialogen zu kämpfen hat. 8 von 10 Punkten.
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Ulrich ist verzweifelt
Jonas auf der Suche nach Antworten
Charlotte ermittelt
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