Rudolph Moshammer (1940-2005) war nicht nur ein exzentrischer Modedesigner, sondern auch eine schillernde Figur der Münchner Schickeria. Der für seine diversen Tatort-Folgen bekannte Alexander Adolph inszenierte mit dem Fernsehfilm Der große Rudolph eine augenzwinkernde Hommage.
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Der große Rudolph
TV-Satire/Biographie Deutschland, Tschechien 2018. FSK: ohne Altersbeschränkung. 89 Minuten. TV-Erstausstrahlung: 19. September 2018.
Mit: Thomas Schmauser, Hannelore Elsner, Lena Urzendowsky, Robert Stadlober, Sunnyi Melles, Hanns Zischler, Franziska Schlattner, Pavel Trávniček u.a. Drehbuch und Regie: Alexander Adolph.
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Märchen, Mode, Moshammer
1983. Rudolph Moshammer (Thomas Schmauser) ist ein gefragter Moedesigner für Prominente und andere schillernde Persönlichkeiten aus Münchens Schickeria. Gemeinsam mit seiner Mutter Else (Hannelore Elsner) betreibt er eine exklusive Boutique in der prachtvollen Maximilianstraße. Moshammers Finanziers und Vermieter, die Schweizerin Gerdi (Sunnyi Melles) und der Nürnberger Toni (Hanns Zischler), wollen seinen Kundenkreis auf den lukrativeren Geld- und Hochadel ausweiten und drängen den exaltiert auftretenden Autodidakt daher zu mehr Medienpräsenz, vor allem im jungen Privatfernsehen. Für den Verkauf stellt Rudolph die unscheinbare und schüchterne Evi (Lena Urzendowsky) ein, die noch am Anfang ihres Berufslebens steht. Sehr zum Missfallen der Frau Mama scheinen sich der Modedesigner und die junge Assistentin gut zu verstehen. Gerdi und Toni versuchen unterdessen den philosophisch veranlagten Adeligen Graf Konstantin von Antzenberger alias Dudu (Robert Stadlober) zu einer Shoppingtour bei Moshammer zu überreden…
Gerdi und Toni
In Zeiten scheinbar grenzenloser Streamingangebote (egal ob von Amazon, Netflix oder Sky Ticket) muss ich zugeben, dass für mich das lineare Fernsehen nur noch einen kleinen Teil meines medialen Konsums ausmacht. Was da so zur Primetime auf den großen TV-Sendern läuft, reizt mich meistens wenig. Mehr zufällig schaltete ich am Abend des 19. Septembers 2018 das Erste ein und blieb bei Der große Rudolph dran. Denn Alexander Adolphs TV-Spielfilm über Moshammer gefällt als klug ausbalancierte Mischung von Fiktionalem und realen Begegebenheiten.
Das schrille Leben des 2005 ermordeten Modeschöpfers lädt förmlich dazu ein, eine völlig überkandidelte Version als TV-Movie zu dramatisieren. Oder gar eine sehr komprimierte Rundumbiographie in 90 Minuten zu zwängen. Doch das Interesse von Regisseur/Drehbuchautor Alexander Adolph (Der letzte Angestellte, Tatort – Taxi nach Leipzig [2016]) am Stoff liegt ganz woanders. Seine Moshammer-Film gelingt als Gratwanderung zwischen High-Society-Farce und Biographie mit modern aufgemachten Märchen-Elementen.
Das fängt schon beim Chauffeur Fröschl an, der von niemand geringerem als Pavel Trávniček verkörpert wird, dem Prinzen aus dem tschechoslowakischen Märchen-Klassiker Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (1973). Im Mittelpunkt des Fernsehspiels steht aber nicht nur der große Münchner Modezar, sondern auch das junge Mädchen Eva-Maria, die in der großen Stadt ihr (berufliches) Glück sucht und schließlich eine Zeit lang für den großen Rudolph arbeiten darf. Adolph gelingt mit diesem Teil der Geschichte eine sehr dezente, authentisch-erwachsene Aschenputtel-Variante, verzichtet allerdings auf inhaltliche Überzuckerung. Generell wird hier überwiegend auf eine allzu überzeichnete Darstellung der Personen oder Begebenheiten verzichtet. Vor allem Hauptdarsteller Thomas Schmauser (Freiwild – Ein Würzburg-Krimi, Bamberger Reiter: ein Heimat-Krimi), dem man für diese besondere Rolle so überhaupt nicht auf der Rechnung hatte, imitiert gekonnt den Sprachduktus des bayerischen Modeschöpfers, der optisch sehr an Märchenkönig (sic!) Ludwig erinnert, ohne diesen wie eine Witzfigur aussehen zu lassen.
Das Sahnehäubchen auf diese genüssliche TV-Film-Torte bilden allerdings die prominenten Nebenakteure. Hannelore Elsner (Die Kommissarin) als lilahaarige, dominante Mama Else und Lena Urzendowsky (Dark) als schüchterne Assistentin verkörpern die beiden Gegenpole zu Moshammer während die Schweizerin Sunnyi Melles (Das Adlon. Eine Familiensaga) und der aus Franken stammende Hanns Zischler (München) dürfen als Rudolphs Geldgeber herrlichst in ihren jeweiligen „Muttersprachen“ schwätzen. Am meisten hat mich allerdings Robert Stadlober (Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm) in seiner Doppelrolle als die grundverschiedenen, adeligen Zwillingsbrüder Dudu und Funki (!) überrascht. Was für ein Spaß!
Nach der TV-Premiere im Ersten ist Der große Rudolph am 4. Oktober 2018 auf DVD erschienen und noch bis 19.12.2018 in der ARD-Mediathek abrufbar.
Fazit: Der große Rudolph gefällt als filigran geschneiderte Mixtur aus märchenhaft verklärtem Biopic und dezenter Gesellschaftssatire mit glänzenden Darstellern. 8 von 10 Punkten.
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Rudolph, Evi und Mama Else
Rudolph bemüht sich um Dudu als Kunden
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