Die Stadt und die Macht (Miniserie)

Auch von ihrer neuesten Miniserie Die Stadt und die Macht, über den Wahlkampf einer engagierten Kandidatin für das Bürgermeisteramt in Berlin, erhoffte sich die ARD einen wichtigen Schritt in Richtung ernst zu nehmendes Qualitätsfernsehen nach ausländischen Vorbildern. Warum wurde es nichts?

5-10Die Stadt und die Macht
Polit-Drama Deutschland 2016. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 6 Folgen. Gesamtänge: ca. 270 Minuten. TV-Erstausstrahlung: 12. Januar 2016.
Mit: Anna Loos, Thomas Thieme, Burghard Klaußner, Martin Brambach, Carlo Ljubek, Stephan Kampwirth, Renate Krößner, Jürgen Heinrich, Burak Yigit u.v.a. Idee: Martin Rauhaus. Drehbuch: Annette Simon, Christoph Fromm, Martin Behnke. Regie: Friedemann Fromm.

Die Stadt und die Macht_DVD


Die Wildsau im Sumpf

Susanne Kröhmer ist nicht nur eine engagierte Rechtsanwältin, die sich für die Resozialisierung junger Straffälliger einsetzt, sondern auch Abgeordnete der konservativen CDP im Berliner Senat. Beinahe aus einer Laune heraus bewirbt sie sich als Gegenkandidatin zum Amtsinhaber Manfred Degenhardt (Burghard Klaußner) von der SDU und setzt sich gegen die Etablierten in ihrer eigenen Partei durch. Zu diesem Kreis zählt ausgerechnet ihr autoritärer Vater Karlheinz Kröhmer (Thomas Thieme), meist nur „KK“ genannt, der seit Jahrzehnten die Geschicke der Partei als Frationsvorsitzender leitet. Der patriarchische Übervater unterhält gemeinsam mit Bürgermeister Degenhardt und dem schmierigen Baulöwen Frank Griebnitz (Jürgen Heinrich) diverse zwielichtige Machenschaften, die Journalist Alex Moravek (Calro Ljubek) aufdecken will, nachdem sich Griebnitz‘ Sohn Oliver, ein gemeinsamer Freund von Susanne und Alex, in den Tod gestürzt hat. Diese „Nebenkriegsschauplätze“ der auf Ehrlichkeit und Transparenz schwörenden Kandidation sind besonderes ihrem Wahlkampfmanager Georg Lassnik (Martin Brambach), der allen ständig Topleistungen abverlangt, ein Dorn im Auge. Vor allem weil sich die Medien auch auf Susannes Privatleben stürzen…

Die Stadt und die Macht_Susanne und KK Susanne und ihr Vater

Es gibt auf jeden Fall Grund zur Hoffnung. Denn auch wenn das Gejammer über das einfallslose Serienprogramm im deutschen Fernsehen (zurecht) groß ist, so gibt es immer wieder Produktionen, die zeigen, dass man auch im Land von Traumschiff und Rosamunde Pilcher-Verfilmungen kreatives und hochwertige TV-Serien erleben kann, beispielsweise die meist im Nachtprogramm oder auf Digitalkanälen versteckten Der Tatortreiniger (ARD/NDR) und Lerchenberg (ZDF). Auf das Privatfernsehen zeigte kürzlich mit Deutschland 83 (RTL) genau wie das hiesige Pay-TV mit Weinberg (TNT Serie) die Fähigkeit, interessante Stoffe modern zu erzählen. Dass aber der ARD-Sechsteiler Die Stadt und die Macht, der sich an internationalen Vorbildern wie The West Wing, House Of Cards (USA) oder der dänischen Politserie Borgen orientiert, nicht in diese Kategorie passt, hat nichts damit zu tun, dass er die Thematiken aus genannten Produktionen auf deutsche Befindlichenkeiten überträgt. Dies gelingt sogar recht gut, vor allem im Hinblick auf Berlins desaströse Großprojekte.

Das größte Problem hier: man will sich nicht damit zufrieden geben, nur die Geschichte einer Frau im Wahlkampf um das Amt des Bürgermeisters erzählen, sondern auch gleichzeitig noch ihr ein Familiendrama andichten und darüberhinaus miese Machenschaften in der Bundeshauptstadt. Da sich Susanne Kröhmer ja auch noch für den reuigen jungen Straftäter Yussuf Antun (Burak Yigit, Bis aufs Blut) einsetzt, gibt’s zwischendurch auch noch einen Hauch Sozialdrama, nicht ohne brutale Geiselnahme in der hiesigen JVA. Bei welcher man nur noch darauf wartet, dass Tschick Niller/Schwil Teiger die Situation durch eine überzogene Schießerei rettet. Diese Überfrachtung der nur sechs Folgen umfassenden Miniserie lässt wenig Raum, die einzelnen Handlungsstränge adäquat zu entwickeln.

Zudem nervt mit der Zeit die plumpe Symbolik, die hier immer wieder bemüht wird. So überfährt CDP-Boss Karlheinz „KK“ Kröhmer mit seiner Limousine mitten in Berlin zu später Stunde ein Wildschwein. Eine zufällig anwesende Prostituierte erlöst das sterbende Tier mit ihrem Schnappmesser. Die gleiche Edeldirne sehen wir später bei einem „gemütlichen“ Abend mit KK und seinem besten Freund Frank Griebnitz, wo sie das gleiche Messer zum Fleisch-Schneiden verwendet. Und da gibt es ja noch ein gut gehütetes Familengeheimnis im Hause Kröhmer. Wider Erwarten ist es nicht das schwarze Schaf der Familie namens Kurt (ohne h). Durch bis zum Erbrechen wiederholte Kindheitserinnerungen soll jedem Zuschauer mit Aufmerksamkeitsdefizit verklickert werden, dass da etwas nicht stimmt, dass etwas im Argen liegt. Das muss auch so sein, wenn die halb verbrannte Puppe der kleinen Susanne gefühlte Hunderttausend Mal durch die Luft fliegt. Vielleicht hätte man das lieber mit dem Drehbuch machen sollen. Die Art wie sich Susannes psychisch angeschlagene Mutter (gespielt von Renate Krößner) hier aus der Affäre zieht – besoffen auf der Schaukel zu rumhängen – hätte vielleicht auch der ein oder andere Zuschauer als Alternative zum Programm in Erwägung ziehen können, wäre es draußen nicht so kalt.

Zwar ist Die Stadt und die Macht stark besetzt, aber wirken viele Situationen zu bemüht. Wenn man etwa Anna Loos als Susanne Kröhmer zum x-ten Mal von „Ehrlichkeit und Transparenz“ schwafeln hört, dann nutzt sich das Ganze irgendwann ab. Das Ende wirkt auch nicht so wirklich zwingend, vielleicht weil der an Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß erinnernde CDP-Übervater KK schlussendklich weder von einer Wildsau überrannt noch von der Messer schwingenden Bordsteinschwalbe „erlöst“ wird.

Wer zu einem ähnlichen Thema einen richtig guten Sechsteiler sehen will, dem sei Mord auf Seite Eins ans Herz gelegt. Aber bitte nicht mit dem halbgaren Hollywood-Remake verwechseln. Auf BluRay und DVD ist Die Stadt und die Macht am 14. Januar 2016 erschienen. Außerdem kann man sich die Miniserie auch über Netflix ansehen.

Fazit: Leider ist der ARD mit Die Stadt und die Macht nicht der große Befreiungsschlag ins hochwertige, innovative Fernsehen gelungen. Stattdessen wird wieder die althergebrachte Wildsau durch den biederen Rundfunksumpf getrieben. 5 von 10 Punkten.

Die Stadt und die Macht_Janner
Susanne zu Gast beim falschen Jauch…
Die Stadt und die Macht_Plasberg
…und im TV-Duell beim echten Plasberg
Die Stadt und die Macht_Frank
Der zwielichtige Bauunternehmer Griebnitz

Marius Joa, 24. Januar 2016. Bilder: Das Erste/Eurovideo.


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