Eine Reihe betrüblicher Ereignisse: Staffel 1

Drei wohlbehütete Kinder werden plötzlich zu Waisen und suchen eine neue Familie. Dumm nur, dass ihnen ein windiger Verwandlungskünstler nach dem Erbe trachtet…

Eine Reihe betrüblicher Ereignisse: Staffel 1 (A Series Of Unfortunate Events: Season 1)
Mystery-Serie USA 2017. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 400 Minuten.
Mit: Neil Patrick Harris, Patrick Warburton, Malina Weissman, Louis Hynes, K. Todd Freeman, Presley Smith u.v.a. Nach der Buchreihe von Daniel Handler alias Lemony Snicket.



“Nothing but dismay”

Als die drei Baudelaire-Kinder – die 14jährige Violet (Malina Weissman), der 12jährige Klaus (Louis Hyns) und ihre Schwester im Säulingsalter, Sunny (Presley Smith) – an einem verregnet Tag an den Strand gehen, erhalten sie vom vertrottelten Banker Mr. Poe (K. Todd Freeman) die niederschmetternde Nachricht, dass ihre Eltern beim Brand der Familienvilla soeben ums Leben gekommen sind. Fortan versuchen die glücklosen Waisenkinder bei entfernten Verwandten ein neues Zuhause zu finden. Doch Count Olaf (Neil Patrick Harris), ein Schauspieler und Scharlatan vom zweifelhaften Ruf, ist den Baudelaires auf den Fersen. Der hinterhältige Verkleidungskünstler hat es auf ihr Vermögen abgesehen, das die Kinder jedoch erst erhalten, wenn Violet volljährig wird…

 Die Baudelaires haben’s nicht leicht

Zwischen 1999 und 2006 veröffentlichte der amerikanische Autor Daniel Handler unter dem Pseudonym Lemony Snicket die 13 Bände umfassende Reihe betrüblicher Ereignisse (Original: A Series Of Unfortunate Events). Funktionierten die Warnungen vor dem wenig erbaulichen Inhalt bei der Verfilmung für die große Leinwand 2004 (von Regisseur Brad Silberling, mit Jim Carrey als Count Olaf) so konnte ich dem Drang, mir die Adaption als TV-Serie beim Streaminganbieter Netflix anzusehen, trotz der mehrfachen Warnungen – im Vorspann (“Look away, look away…”/ “Every single episode is nothing but dismay….”) und zu Beginn jeder Folge vom Erzähler Lemony Snicket höchst selbst – nicht widerstehen. Diese unerschütterliche Beharrlichkeit hat sich in jedem Fall gelohnt, auch wenn die Serie sicherlich kein Wohlfühl-Programm bietet.

Zehn Jahre nach dem genannten Kinofilm gab Netflix Pläne bekannt, die Kinderbuchreihe als TV-Serie umzusetzen. Mark Hudis (Die wilden Siebziger!) und Barry Sonnenfeld (Die Addams Family in verrückter Tradition, Men in Black) wurden als Showrunner engagiert. Hudis verließ die Show jedoch Anfang 2016 und so wurde Autor Daniel Handler stärker eingebunden. Handler verfasste fünf der acht Skripts während Sonnenfeld bei vier Episoden Regie führte. Staffel eins der Serie adaptiert die ersten vier Bände, wobei jede Geschichte auf zwei Folgen aufgeteilt ist. Auch ohne Kenntnis der Vorlage erscheint mir nach Sichtung der ersten Season genau jene Form der Adaption als die bestmögliche.

Gekonnt vereint Eine Reihe betrüblicher Ereignisse als schwarzes, modernes Märchen die ironische Düsternis eines Tim Burton mit den verspielten Dekors und schrulligen Figuren eines Wes Anderson (The Grand Budapest Hotel). Nicht nur durch den fast allgegenwärtigen Autor Lemony Snicket, der sich immer an die Zuschauer wendet und dabei gelegentlich sogar die Handlung unterbricht, um vor kommendem Unheil zu warnen, zeigt sich die Serie ihrer Künstlichkeit bewusst. Das zeigt sich auch in der Optik. Die visuellen Effekte, bei welchen eher Matte Paintings und weniger Computergrafiken verwendet wurden, wirken absichtlich wie aus einem Videospiel übernommen, ähnlich wie bei der Serie Pushing Daisies, bei welcher Barry Sonnenfeld die ersten beiden Folgen inszenierte. Die Hintergründe sind, dem Thema angemessen, grau gehalten, während man vordergründig auf viele Farben setzt.

Es passt wunderbar zur Aussichtslosigkeit der Situation, dass die drei Baudelaire-Kinder (die erfinderische Violet, der versierte Bücherwurm Klaus und das vielfach begabte Baby Sunny) die finsteren Pläne ihres Erzfeindes Count Olaf konsequent gleichsam wie seine ausufernden Verkleidungen durchschauen, während die Erwachsenen, vor allem in Person des Bankmanagers Mr. Poe, der in entscheidenden Momenten immer einen Hustenanfall bekommt, grundsätzlich die offensichtlichsten, himmelsschreienden Ungereimtheiten nicht erkennen und daher am Unglück der drei Protagonisten nicht ganz unschuldig erscheinen.

Wenngleich die Warnungen des vom unnachahmlichen Patrick Warburton (Family Guy, Men in Black II) verkörperten Lemony Snicket etwas übertrieben wirken, so sollten sie doch von jüngeren Kindern und erwachsenen Zuschauern, die mit bitteren Wendungen ihre Probleme haben, durchaus Ernst genommen werden. Neben dem glänzend aufgelegten Neil Patrick Harris (How I Met Your Mother) in der turbulenten Rolle des Fieslings Count Olaf sowie den starken Kinderdarstellern Malina Weissman und Louis Hynes glänzt die Besetzung auch durch eine Riege namhafter Gaststars wie Cobie Smulders (How I Met Your Mother), Will Arnett (Arrested Development, The Lego Movie), Alfre Woodard (Star Trek: Der erste Kontakt, Desperate Housewives), Joan Cusack (In & Out, Die Addams Family in verrückter Tradition), Catherine O’Hara (Kevin allein zu Haus) und Don Johnson (Miami Vice). 

Die erste Staffel von Eine Reihe betrüblicher Ereignisse ist seit dem 13. Januar 2017 auf Netflix abrufbar. Eine zweite Season mit zehn Folgen, welche die Bücher fünf bis neun adaptiert, soll im Januar 2018 erscheinen. Staffel 3, mit der Adaption der verbliebenen Bände 10 bis 13, ist ebenfalls bereits geplant.

Fazit: Bitterböse, schwarzhumorige Moritat; wortgewandt, stark gespielt und detailverliebt umgesetzt. 8 von 10 Punkten.

Erzähler Lemony Snicket warnt die Zuschauer
Count Olaf
Richterin Strauss
Marius Joa, 29. Juni 2017. Bilder: Netflix.

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