Mit kontinuierlich steigenden Zuschauerzahlen entwickelte sich Game Of Thrones jüngst zur erfolgreichsten Serie des US-Kabelsenders HBO. Doch kann die vierte Staffel das hohe Niveau der Fantasysaga halten?
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Game Of Thrones: Staffel 4 (Game Of Thrones: Season 4)
Fantasy/Drama-Serie USA 2014. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 540 Minuten.
Mit: Peter Dinklage, Nikolaj Coster-Waldau, Lena Headey, Emilia Clarke, Kit Harington, Iain Glen, Aidan Gillen, Charles Dance, Liam Cunningham, Stephen Dillane, Carice van Houten, Natalie Dormer, Isaac Hempstead-Wright, Jack Gleeson, Sophie Turner, Maisie Williams, Alfie Allen, Conleth Hill, Sibel Kekilli, Rose Leslie, John Bradley, Jerome Flynn, Rory McCann, Gwendoline Christie, Iwan Rheon, Kristofer Hivju, Hannah Murray, Pedro Pascal u.v.a. Nach Das Lied von Eis und Feuer von George R.R. Martin. Adaption: David Benioff und D.B. Weiss.
WARNUNG:
Die folgende Kritik enthält massive Spoiler, vor allem zu Geschehnissen der dritten Staffel. Weiterlesen auf eigene Gefahr!
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Viele Todesfälle und eine Hochzeit
Die Vorherrschaft der Lannisters scheint nach der Roten Hochzeit unangefochten. Dank einer verachtenswerten Intrige des Lannister-Patriarchen Tywin (Charles Dance) wurde Robb Stark (Richard Madden), König des Nordens, bei den Vermählungsfeierlichkeiten seines Onkels Edmure Tully (Tobias Menzies) mit der Frey-Tochter Roslyn (Alexandra Dowling), mitsamt Mutter Catelyn (Michelle Fairley), Ehefrau Talisa (Oona Chaplin) und seinen Getreuen auf hinterhältigste Weise von Roose Bolton (Michael McElhatton) und Gastgeber/Brautvater Walder Frey (David Bardley) ermordet.
In Westeros‘ Hauptstadt King’s Landing bereitet sich alles auf die große Hochzeit von König Joffrey (Jack Gleeson) und Lady Margaery (Natalie Dormer) aus dem Haus Tyrell vor. Unterdessen muss sich der nur noch einhändige Ser Jaime Lannister (Nikolaj Coster-Waldau) damit abfinden, dass er als „invalide“ nicht mehr für die Königsgarde geeignet ist. Zur großen Vermählungsfeier trifft auch Oberyn Martell (Pedro Pascal), Bruder des Fürsten von Dorne, mit seiner Konkubine Ellaria Sand (Indira Varma) ein. Oberyn hat nach dem Tod seiner Schwester in den Wirren des Kriegs mit den Targaryens vor etwa zwanzig Jahren mit den Lannisters noch die ein oder andere Rechnung offen. Der kleinwüchsige Tyrion Lannister (Peter Dinklage) hat derweil damit zu kämpfen, dass seine Gattin Sansa Stark (Sophie Turner) todtrauig über den Mord an ihrer Familie ist und seine Geliebte Shae (Sibel Kekilli) nicht die zweite Geige spielen will. Tyrions Schwester, die Regentin Cersei (Lena Headey) steht der bevorstehenden Hochzeit ihres königlichen Sohnes skeptisch gegenüber.
Oberyn befragt Tyrion
In den Flusslanden ziehen Arya Stark (Maisie Williams) und der entstellte Sandor Clegane (Rory McCann) alias Bluthund durch die vom Krieg gezeichnete Gegend. Der Bluthund möchte das Mädchen ihrer Tante Lysa Arryn (Kate Dickie) im Grünen Tal gegen ein stattliches Lösegeld übergeben. An der Mauer muss Jon Snow (Kit Harington) seinen Vorgesetzten bei der Nachtwache Rede und Antwort stehen. Weil er einige Zeit unter den Wildlingen gelebt hat, wird er als Verräter beschimpft. Jon warnt seine Ordensbrüder vor dem bestehenden Angriff. Rebellenführer Mance Rayder (Ciarán Hinds) hat über hunderttausend Wildlinge versammelt, die bald die Mauer von Norden angreifen werden. Südlich des schier unüberwindlichen Eiswalls sammeln sich eine weitere Gruppe aus dem freien Volk um Jon Snows Ex-Geliebte Ygritte (Rose Leslie) und den erfahrenen Krieger Tormund (Kristofer Hivju). Bran Stark (Isaac Hempstead-Wrihgt), totgeglaubter Erbe von Winterfell, macht sich mit seinen Gefährten Meera (Ellie Kendrick) und Jojen Reed (Thomas Brodie Sangster) sowie dem einfältigen Hodor (Kristian Nairn) auf die Suche nach dem mächtigen Wesen aus seinen Träumen: der dreiäugigen Krähe. Im Osten erobert „Drachenkönigin“ Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) dank ihrer großen Armee von Eunuchen die Städte der Sklavenbucht und befreit die Bevölkerung vom Joch der Knechtschaft. Die junge Herrscherin steht vor einer wichtigen Entscheidung. Soll sie auf dem Kontinent Essos bleiben und regieren oder doch den Eisernen Thron der Sieben Königslande zurückerobern?
Auch wenn die dritte Staffel von Game Of Thrones, der Serienadaption der Romanreihe Das Lied von Eis und Feuer von US-Autor George R.R.Martin (Die Schöne und das Biest), die Zuschauer mit der berüchtigten „Roten Hochzeit“ schockte wie kaum eine andere TV-Serie bisher, so standen noch zahlreiche Höhepunkte des dritten (Original-)Bandes für die folgende Season aus. Und so haben die Showrunner bei Runde vier der epischen Fantasyserie ihre bisherige dramaturgische Strategie (Hinarbeiten auf den Höhepunkt der Staffel jeweils in Folge neun mit anschließendem Denouément) ad acta gelegt. Bereits in der zweiten Episode, zu welcher Martin selbst das Drehbuch verfasste, gibt es eine lang erwartete Hochzeit und einen höchst unerwarteten Todesfall. Selbst für Kenner der Buchvorlage entwickelt diese Folge im Verlauf höchste Spannung.
Halbzeit zwei von Season 4 beinhaltet dann jede Woche dramatische Wendungen, die im Staffelfinale kulminieren. Auch wenn sie diesmal nur eine von mehreren Highlightepisoden darstellt, so ist erneut die berühmte Folge neun hervor zu heben. In „The Watchers On The Wall“, wie auch schon die Schlacht am Blackwater inszeniert von Regisseur Neil Marshal (The Descent), kämpfen die geschworenen Brüder der Nachtwache an zwei Fronten um ihren Posten auf der Mauer. Selten waren 50 Minuten Fernsehen der Wucht eines Kinoschlachtengetümmels so nah. Hier stimmt einfach alles: visuelle Effekte, Schnitt, Kamera, Kampfchoreographien, Stunts und Darstellerleistungen. Das ganze Gemetzel kulminiert zwischenzeitlich in einem 360 Grad-Kameraschwenk durch das Kampfgetümmel, bei welchem so manches Leinwandactionszene das Nachsehen hat. Episode zehn löst anschließend einige wichtige Handlungsstränge auf und bringt fast nebenbei den größten Schocker kurz vor Schluss.
Obwohl das Figurenensemble von „Thrones“ jedes Jahr um ein paar Mitspieler dezimiert wird, so wächst es kontinuierlich an. Die auffallendste neue Performance liefert der aus Chile stammende US-Schauspieler Pedro Pascal, der als heißblütiger und rachedurstiger Oberyn Martell aus dem südlichen Reiche Dorne glänzt. Im Verlauf der Staffel müssen wieder etwa ein halbes Dutzend Hauptcharaktere oder wichtige Nebenfiguren ihr Leben lassen. Ihren größten Makel hat die aufwändige HBO-Serie nach vier Jahren auch hinter sich gelassen. Die visuellen Computereffekte fügen sich nahtlos in die beeindruckenden Locations und das hochwertige Setdesign so gut ein, dass ein Unterschied zwischen diesen Teilbereichen nur noch durch die „Vorher-Nachher“-Videos der beteiligten Effektefirmen zu erkennen ist. Fast möchte man den bekannten Slogan „It’s not TV, it’s HBO“ durch „it’s better than cinema“ ergänzen.
Leichte Schwächen offenbart die vierte Season von Game Of Thrones lediglich strukturell. Wenn die Nachtwache gefühlte zwei Staffeln auf den Angriff der Wildlinge wartet und plötzlich auf mickrige hundert Mann dezimiert wurde, so tritt dieser Teil der Gesamthandlung auf der Stelle, auch wenn die Story um Jon Snow durch einen für die Serie erfundenes Intermezzo erweitert wurde. Das ist deshalb schade, weil dadurch etwas wertvolle Zeit verschwendet wird. Der Hauptgrund für diese „Verschleppung“ ist sicherlich das Fortschreiten der Serie gegenüber den Büchern. Manche Handlungsstränge (wie z.B. die Reise von Bran Stark) sind schon auf dem Stand der Vorlage. Doch Band sechs von sieben geplanten Romanen lässt immer noch auf sich warten. Von den diversen Änderungen, die fast ausnahmslos der Verfilmbarkeit des Materials dienen, wiegt lediglich eine wirklich schwer. Am Ende fehlt die Begegnung mit einer geheimnisvollen Figur, die im Roman „A Storm of Swords“ im letzten Kapitel auftaucht und eventuell komplett aus der Serie gestrichen wurde.
Trotz Rekordzahlen bei illegalen Downloads hat sich Game Of Thrones zu einem echten Zuschauermagneten entwickelt und im Verlauf der vierten Staffel das Gangsterepos Die Sopranos als quotenstärkste HBO-Serie aller Zeiten abgelöst. Und so wurden im Frühjahr 2014 gleich zwei weitere Staffeln geordert. Die Dreharbeiten zu Season fünf haben Ende Juli begonnen. Gedreht wird nicht nur wie bisher in Nordirland und Kroatien, sondern neuerdings auch in Spanien. Prominente Neuzugänge unter den Darstellerin sind Alexander Siddig (Star Trek: Deep Space Nine) als Prinz Doran Martell, Oscar-Kandidatin Keisha Castle-Hughes (Whale Rider) als Oberyns Bastardtochter Obara Sand sowie Jonathan Pryce (Fluch der Karibik) als High Sparrow. Ob die Komplexität der Vorlage auch weiterhin so souverän adaptiert werden kann und welche Charaktere und Geschichten die Chefautoren David Benioff und D.B. Weiss streichen müssen, wird sich zeigen. Enden soll Game Of Thrones entweder nach der siebten oder achten Staffel. Die beiden ausstehenden Romane wird George R.R.Martin bis dahin sicher nicht fertig kriegen. Und so wird die Serie auch für Buchkenner irgendwann komplett neues Material bieten.
TV-Tipp: Staffel 4 ab 10. September 2014 immer mittwochs um 20:15 auf TNT Serie
Fazit: Trotz etwas bedauerlicher struktureller Unzulänglichkeiten legt Staffel vier von Game Of Thrones die Messlatte für künftige Folgen noch einmal höher und zementiert seinen Platz in der Fernsehgeschichte. 9 von 10 Punkten.
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