Mit der fünften Staffel betritt Game Of Thrones, die TV-Adaption der Fantasyromanreihe Das Lied von Eis und Feuer, inhaltlich weitgehend Neuland, da die HBO-Serie die Vorlage teilweise bereits „überholt“ hat. Ist das ein Vor- oder Nachteil, wenn auch die Buchleser verspoilert werden?
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Game Of Thrones – Das Lied von Eis und Feuer (Game Of Thrones)
Fantasy/Drama-Serie USA 2015. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 550 Minuten.
Mit: Peter Dinklage, Nikolaj Coster-Waldau, Lena Headey, Emilia Clarke, Kit Harington, Aidan Gillen, Iain Glen, Liam Cunningham, Stephen Dillane, Carice van Houten, Natalie Dormer, Sophie Turner, Maisie Williams, Alfie Allen, Conleth Hill, John Bradley, Jerome Flynn, Gwendoline Christie, Iwan Rheon, Kristofer Hivju, Hannah Murray, Michiel Huisman, Nathalie Emmanuel, Indira Varma, Tom Wlaschiha, Michael McElhatton, Dean-Charles Chapman u.v.a. Nach Das Lied von Eis und Feuer von George R.R. Martin. Adaption: David Benioff und D.B. Weiss.
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Neuland und seine Herausforderungen
Der Kontinent Westeros ist weiterhin schwer gezeichnet von den Kriegen um den Eisernen Thron der Sieben Königreiche. In der Hauptstadt King’s Landing sitzt der Schock über den Tod von Tywin Lannister (Charles Dance), Großvater und Hand des jungen Königs Tommen (Dean-Charles Chapman), noch tief. Der Lannister-Patriarch wurden von seinem eigenen Sohn Tyrion (Peter Dinklage) erschossen, weil Tyrion von Tywin zum Tode verurteilt wurde, wegen Königsmord an Tommens älterem Bruder Joffrey, den er nicht begangen hat. Tywins anderen Sohn Jaime (Nikolaj Coster-Waldau), Hauptmann der Königsgarde, plagt ein schlechtes Gewissen. Schließlich war er es, der seinen Bruder aus der Zelle befreit hat. Als Königinmutter Cersei Lannister (Lena Headey) eine hübsch verpackte Drohung erhält, die ihre in Dorne lebende Tochter Myrcella (Nell Tiger Free) betrifft, schickt sie Jaime und den Ex-Söldner Bronn (Jerome Flynn) in geheimer Mission in die südliche Region, um das Mädchen zu retten. In Dorne fordert Ellaria Sand (Indira Varma) Rache für den Tod ihres Geliebten, Prinz Oberyn Martell, der im für Tyrion ausgefochtenen Zweikampf mit dem monströsen Gregor Clegane (Hafthór Júlíus Björnsson) sein Leben ließ. Bei Oberyns Bruder, dem bedächtigen und verkrüppelten Prinzen Doran (Alexander Siddig) stößt sie dabei auf taube Ohren. Nicht jedoch bei Oberyns drei ältesten Bastardtöchtern Obara (Keisha Castle Hughes), Nymeria (Jessica Henwick) und Tyene (Rosabell Laurenti Sellers).
Alexander Siddig als Doran Martell
Der desillusionierte Tyrion ist derweil mit dem ehemaligen „Geheimdienstchef“ Varys (Conleth Hill) auf dem östlichen Kontinent Essos angekommen und erhält eine neue Perspektive. Der vorgezeichnete Weg erhält allerdings unvorgesehene Gabelungen, als der kleinwüchsige Vatermörder von dem mehrfach exilierten Ritter Ser Jorah Mormont (Iain Glen) entführt wird. In der ehemaligen Sklavenstadt Mereen regiert Daenerys (Emilia Clarke), die letzte der Targaryen-Dynastie, mit ihrem großen Heer aus Eunuchen und Söldnern. Mit Drogon ist der größte und gefährlichste ihrer drei Drachen verschollen.
Im Norden von Westeros konnte der Angriff der Wildlinge unter dem König-jenseits-der-Mauer Mance Rayder (Ciarán Hinds) dank des rechtzeitigen Eintreffens von König Stannis Baratheon (Stephen Dillane) und seiner Truppen abgewehrt werden. Dennoch wurden die Männer der Nachtwache bei der Verteidigung der riesigen Mauer beträchtlich dezimiert. Jon Snow (Kit Harington), der frühere Bastard von Winterfell, erhält von Stannis ein besonders verlockendes Angebot. Mit seinem Gefolge um Ser Davos (Liam Cunningham) und der roten Priesterin Melisandre (Carice van Houten) plant der „wahre“ König, gegen Winterfell zu ziehen, das von den Boltons um Lord Roose (Michael McElhatton) und seinem irren Sohn Ramsay (Iwan Rheon) eingenommen wurde.
Ebenfalls in den Norden unterwegs sind der undurchsichtige Petyr „Littlefinger“ Baelish (Aidan Gillen) und die in seiner Obhut befindliche Sansa Stark (Sophie Turner). Verfolgt werden die beiden von Ritterin Brienne (Gwendoline Christie), die Sansas ermordeter Mutter versprochen hat, das junge Mädchen zu beschützen. Ebenfalls noch am Leben, wenngleich von vielen für totgehalten: die zweite Stark-Tochter Arya (Maisie Williams), die sich in die freie Stadt Braavos begibt, um dort dem Orden der „Faceless Men“ als künftige Assassinin beizutreten.
Zu erwähnen dass die Fantasyromanreihe Das Lied von Eis und Feuer und folglich auch ihre TV-Verfilmung Game Of Thrones sich immer komplexer gestaltet, ist fast eine Untertreibung. Von Beginn war die Adaption des noch nicht fertiggeschriebenen Romanepos ein Drahtseilakt für die Showrunner David Benioff und D.B. Weiss sowie ihr kleines Autorenteam, welches in Staffel fünf ansonsten nur aus Co-Produzent Bryan Cogman und dem früheren Skriptassistenten Dave Hill besteht. Umstritten waren die notwendigen Änderungen und Vereinfachungen des Stoffes für eine Transformation in neun bis zehn Stunden pro Season bei den Anhängern der Buchreihe schon immer. Was nun vor allem die Puristen unter den Fans besonders erzürnt: Staffel 5 überholt bereits in Teilen die Romanreihe, bei denen bisher fünf von geplanten sieben Originalbänden (im deutschen jeweils zweigeteilt) erschienen sind und nimmt damit Teile der Geschichte vorweg oder gibt zumindest eine grobe Richtung vor, wie sich Dinge entwickeln könnten. Doch das ist nicht das wirkliche Problem der fünften Runde.
Nach einigen kleinen, eher zu übersehenden „Ungereimtheiten“ oder Unebenheiten in den vorherigen Seasons, die aber alle nicht sehr ins Gewicht fielen, leistet sich Staffel 5 den ersten wirklich dicken Schnitzer in der Handlung um die südlichste aller Regionen von Westeros, Dorne. Die Serie lässt Jaime Lannister gemeinsam mit seinem „Leibwächter“ Bronn dorthin inkognito reisen, um seine „Nichte“, Prinzessin Myrcella, die künftige Gemahlin des dornischen Erben Trystane, zu retten, nachdem eine heftige Drohung ihre Mutter Cersei erreicht hat. Doch natürlich werden die beiden „Geheimagenten“ entdeckt, allerdings nicht ohne einen holprigen „Fünfkampf“ mit den Sandschlangen, Oberyns drei ältesten Bastardtöchtern. Das wäre jetzt eigentlich kein Problem. Doch leider sind die drei jungen Damen Obara, Nymeria und Tyene üble Klischee-Kampfmiezen, von denen die jüngste auch noch mit plumpen sexuellen Avancen protzt. Dass Game Of Thrones gerne nackte weibliche Körper zeigt ist nichts Neues. Ebensowenig die gelegentliche unnötige Häufung solcher Szenen (Stichwort „Sexposition“) in den ersten beiden Staffeln. Aber die Sand Snakes wirken als wären sie aus einem schlechten Exploitationfilm und würden eher in das Beuteschema von Danny „Machete“ Trejo passen. Es ist wirklich schade, wie sehr die Autoren damit den Handlungsstrang um Dorne regelrecht verhauen. Die interessantere und vielschichtigere Figur von Prinz Dorans Tochter und Erbin Arianne Martell aus den Büchern dafür zu streichen war sicherlich keine gute Entscheidung.
Generell wirken die Episoden 41 bis 50 in ihrer Gesamtheit unfertig. Es passiert sehr viel und bei den zahlreichen Ableben von Hauptfiguren und wichtigen Nebencharakteren hat man das Gefühl, als würde das Voranschreiten der Handlung mit dem Holzhammer erzwungen, weil nur noch drei Staffeln Zeit bleiben (es wird vermutet, dass Game Of Thrones nach acht Seasons enden soll). Ohne ins Detail zu gehen: so mancher Tod einer Figur in der Serie nimmt das eventuelle Ableben dieser in den Romanen vorweg. Andere Charaktere wiederum verschwinden im Verlauf der zehn Folgen in der Versenkung, fast als hätte man ihre Szenen herausgeschnitten.
Aber genug des Jammerns und Wehklagens. Was das geniale Zusammenspiel von Locations, Kostümbild, Setsdesign, Kameraführung, visuelle Effekte und musikalischer Untermalung angeht so gehört die Adaption vom Lied von Eis und Feuer immer noch zum Besten was qualitativ hochwertiges Fernsehen derzeit zu bieten hat. Vor allem die jungen Schauspieler (wie Maisie Williams und Sophie Turner) des gleichermaßen wachsenden und schrumpfenden Ensembles sind über die Jahre mit ihren Rollen gereift. Zu den prominenten Neuzugängen in Staffel 5 gehören Alexander Siddig (Dr. Bashir in Star Trek: Deep Space Nine) als Prinz Doran Martell und Keisha Castle-Hughes (Oscar-Nominierung für Whale Rider) als seine älteste Nichte Obara. Den Part des High Sparrow übernahm der britische Charakterdarsteller Jonathan Pryce (Fluch der Karibik, Wolf Hall).
Im Juli 2015 starteten die Dreharbeiten zur nächsten Staffel in Nordirland und später auch an einigen Locations in Spanien. Teilweise bekannte Darsteller wurden für überwiegend kleine Rollen gecastet, darunter Ian McShane (Deadwood, Die Säulen der Erde) sowie Richard E. Grant (Gosford Park) und Essie Davis (Matrix Reloaded, Der Babadook), wobei die beiden letztgenannten Mitglieder einer wandernden Theatergruppe verkörpern. Zurückkehren wird der seherisch begabte Bran Stark (Isaac Hempstead-Wright) gemeinsam mit seinen Reisegefährten Meera Reed (Ellie Kendrick) und Hodor (Kristian Nairn). Das Trio pausierte in Staffel fünf. Die Rolle der Dreiäugigen Krähe übernimmt in der sechsten Season niemand Geringeres als die 86jährige Schauspiellegende Max von Sydow (Pelle der Eroberer, Star Wars: Das Erwachen der Macht).
Die fünfte Staffel von Game Of Thrones war schon in großen Teilen unentdecktes Land, auch für die Kenner der Romanvorlage. Season sechs wird bis auf ganz wenige Szenen dann eine komplette Wundertüte für alle Zuschauer und viele Fragen in Bezug auf die von George R.R. Martin noch nicht fertiggestellten zwei verbleibenden Bände aufwerfen.
In Deutschland erscheint Game Of Thrones: Staffel 5 am 17. März 2016 auf BluRay und DVD. Die Free-TV-Premiere bei RTL II wird es sicher im Vorfeld der Heimkinoveröffentlichung geben. Für April 2016 ist bereits die sechste Stafell bei HBO und Sky angesetzt.
Fazit: Auch in der fünften Staffel bietet Game Of Thrones vor allem produktionstechnisch exzellente TV-Unterhaltung. Nur leider schwächelt die Season in inhaltlicher Hinsicht, wirkt dramaturgisch etwas unfertig und verschwendet den Dorne-Handlungsstrang. 8 von 10 Punkten.
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Ein bekanntes Gesicht
Tyrion in Essos
Die Sandsnakes wollen Rache
Was plant Littlefinger mit Sansa?
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Marius Joa, 6. Dezember 2015. Bilder: HBO.
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