15 Jahre nachdem Susan und Christopher Edwards zwei Leute getötet hatten stellt sich das englische Paar der Polizei und wird wegen Mordes verurteilt. Ed Sinclair und Will Sharpe haben aus der realen Kriminalgeschichte eine vierteilige Miniserie mit Olivia Colman und David Thewlis in den Hauptrollen gemacht.
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Landscapers
Krimidrama/Tragikomödie/Miniserie UK, USA 2021. 4 Folgen. Gesamtlänge: ca. 188 Minuten.
Mit: Olivia Colman, David Thewlis, Kate O’Flynn, Dipo Ola, Samuel Anderson, Daniel Rigby u.a. Idee: Ed Sinclair. Drehbuch: Ed Sinclair und Will Sharpe. Regie: Will Sharpe.
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Susan und Chris gegen den Rest der Welt
Im Mai 1998 töten Susan Edwards (Olivia Colman) und ihr Ehemann Christopher (David Thewlis) gemeinsam Susans Eltern, Patricia (Felicity Montagu) und William Wycherly (David Hayman), in deren Haus in Mansfield. Die Leichen vergraben sie im Garten und behaupten, das ältere Ehepaar sei umgezogen. Einige Jahre später fliehen die Edwards nach Frankreich. Durch Susans Faible für teure Film-Memorabilien und Christophers Misserfolg bei der Jobsuche landen die beiden in einer finanziellen Sackgasse. Als Christopher seine Stiefmutter Tabitha (Kathryn Hunter) um Geld bittet und ihr davon erzählt, dass er “etwas Dummes” getan hat, wird die Polizei auf den Fall aufmerksam. DC Emma Lancing (Kate O’Flynn), DC Paul Wilkie (Samuel Anderson) und ihr Vorgesetzter DCI Tony Collier (Daniel Rigby) von der Polizei in Nottinghamshire nehmen die Ermittlungen auf. Susan und Christopher kehren nach England zurück und stellen sich. Lancing beginnt das Paar getrennt voneinander zu befragen. Die Edwards legen beide ein Geständnis ab. Doch sagen sie auch die Wahrheit?
True-Crime-Formate sind derzeit sehr in Mode, vor allem bei den Streamingdiensten. Netflix etwa hat unzählige Dokus über wahre Verbrechen/Verbrecher im Programm, wie Making a Murderer (2015/2018), Ted Bundy: Selbstporträt eines Serienmörders (2019) oder Jeffrey Epstein: Filthy Rich (2020). Auch einige Podcasts widmen sich mittlerweile diesem Genre. Ich persönlich halte von solchen Produktionen eher wenig, weil ich befürchte, dass dadurch wie so oft eine “Fetischierung” des/der Täter stattfindet. Auf einem tatsächlich passierten Mordfall basiert auch der von Ed Sinclair (Idee/Drehbuch) und Will Sharpe (Drehbuch/Regie) erschaffene Vierteiler Landscapers. Mit anderen True-Crime-Shows hat die Co-Produktion von Sky und HBO allerdings relativ wenig gemeinsam. Und das ist auch gut so.
Zugegebenermaßen gibt der Kriminalfall an sich inhaltlich jetzt nicht soviel her. Aber wie die Miniserie vor allem die Perspektive der beiden Hauptfiguren ins Zentrum ihrer Inszenierung rückt, so etwas sieht man selten. Es besteht relativ früh kein Zweifel, dass die Edwards Susans Eltern getötet haben, doch haben wir es hier eben nicht mit sadistischen, kaltbltügen Killern zu tun. Im Gegenteil, bei dem Ehepaar handelt es sich um einfache, an sich sanftmütige Menschen. Susan lebt in ihrer eigenen Welt und liebt alte Filme, vor allem Western mit Gary Cooper und John Wayne. Über die Jahre hat sie teure Sammlerstücke wie alte Filmposter, Autogrammkarten und Originalbriefe ihrer Idole gesammelt. In ihrer Fantasie erlebt sie gemeinsam mit ihrem Ehemann selbst Abenteuer im Wilden Westen voller Freiheit. Christopher wiederum ist stärker in der Realität verankert, teilt aber die Leidenschaft seiner Gattin und unterhält einen regen Briefwechsel mit seinem Lieblingsschauspieler Gérard Depardieu.
Gekonnt wird die Haupthandlung (Ermittlungen der Polizei und Befragungen der Edwards) mit den weiteren Erzählebenen verwoben, vor allem inszenatorisch. Immer wieder wechselt die Geschichte zu Rückblenden, teils in Schwarzweiß oder bebildert auf kuriose Weise die Gedankenwelt der beiden Protagonisten. Bisweilen werden auch plötzlich Kulissen als solche erkennbar und dadurch indirekt die vierte Wand durchbrochen. Mich erinnerte diese Heterogenität der Inszenierung und das Aufbrechen der Erzählstrukturen einerseits an die herausragende Marvel-Serie Legion (2017-2019) und andererseits an The Singing Detective (1986), einer Miniserie von Autor Dennis Potter und Regisseur Jon Amiel, in welcher sich ein schwerkranker Schriftsteller im Krankenhaus an seine Kindheit erinnert und gleichzeitig in Gedanken einen neuen Roman zu schreiben scheint. Ein junger David Thewlis spielte darin übrigens einen kleinen Part.
Neben der im besten Sinn eigenwillien Umsetzung punktet Landscapers auch mit zwei eindringlichen Hauptdarstellern. Olivia Colman (Golden Globe- und Oscar-Gewinnerin für The Favourite [2018] sowie Golden Globe- und Emmy-Preisträgerin für The Crown [2019/20]) als Susan und David Thewlis (Harry Potter-Filmreihe, I’m Thinking of Ending Things) schaffen mit ihren Performances dass man Empathie für ihre Figuren empfinden kann und dass die Mischung aus Krimi und Tragikomödie funktioniert. So unwahrscheinlich die Sache mit dem 15 Jahre erfolgreich vertuschten Doppelmord auch schein mag so glaubwürdig wirkt die Motivlage. Als dritte Akteurin überzeugt die mit besonderer Physiognomie ausgestattete Kate O’Flynn (Mr. Turner, No Offence) als Polizistin Emma Lancing, die unter ihren eher einfach gestrickten Kollegen etwas hervorsticht und das Verhör der Edwards geschickt durchführt. Am Ende lässt das Drehbuch bewusst ein paar Lücken offen, auch umzu vermeiden, dass die eher kurze Laufzeit mit zuviel Informationen überladen wird.
Die komplette Miniserie Landscapers ist seit dem 10. Februar 2022 Teil des Angebots von Sky.
Fazit: Virtuos inszenierte und stark gespielte Miniserie über einen realen Mordfall, welche zwischen Krimidrama und Tragikomödie pendelt. 9 von 10 Punkten.
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Das erste Date
Susan liebt Western
Lancing und Wilkie beim Verhör
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Marius Joa, 6. März 2022. Bilder: Sky/HBO.
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