Legion: Staffel 3

2019, das Jahr der großen Serienfinals. Leider befindet sich ausgerechnet mit Legion einer der besten Serien aller Zeiten in dieser illustren Runde. Denn mit Staffel 3 endet die die unfassbar geniale, im besten Sinne irre Reise des David Haller.

Legion: Staffel 3
(Legion: Season 3)
Mystery/Science-Fiction/Psychothriller/Drama-Serie USA 2019. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 360 Minuten.
Mit: Dan Stevens, Rachel Keller, Aubrey Plaza, Navid Negahban, Bill Irwin, Amber Midthunder, Lauren Tsai, Jeremie Harris, Hamish Linklater u.a. Idee: Noah Hawley. Nach Comic-Charakteren von Chris Claremont und Bill Sienkiewicz.

 

It’s always blue

Meine letzte Rezension des Jahres 2019 und der 2010er Jahre. Lassen wir es krachen, mit der leider finalen Staffel der besten Serie der Dekade!

Nachdem David (Dan Stevens) seine große Liebe Syd (Rachel Keller) manipuliert und missbraucht hat, verbündeten sich seine Freunde sowie Abteilung 3 mit Amahl Farouk aka Shadow King (Navid Negahban) gegen den mächtigen Mutanten und sperrten ihn ein. Voller Zorn gelang es David allerdings auszubrechen und mit seiner alten Freundin Lenny (Aubrey Plaza), dank Farouk mit neuem Körper, zu fliehen. Einige Monate später führt David als allmächtiger Guru eine Art Hippie-Kommune, deren vorwiegend weibliche Mitglieder er mit Telepathie und Drogen in einem ständigen Zustand der Zufriedenheit hält. Auch Lenny, als “Frühstückskönigin” Davids Nr. 2, ist mit ihrer schwangeren Freundin (Vanessa Dubasso) ebenfalls Teil des Kultes. Im neuen Luftschiff von Abteilung 3 in einem versuchen Clark (Hamish Linklater), Syd, die Loudermilks (Bill Irwin/Amber Midthunder), Farouk und der als Android wieder zum Leben erweckte Ptonomy (Jeremie Harris) David aufzuspüren und auszuschalten. Der streckt nun seine Fühler nach der chinesischen Zeitreisenden Jia-Yi (Lauren Tsai) aus. Mit ihrer Hilfe will David seine Vergangenheit ändern, um so zu verhindern, dass der Shadow King sein Leben zerstört…

Keine andere Serie hat es bisher geschafft, mich so zu begeistern und verblüffen. Meine Reaktion auf die einzelnen Folgen pendelten fast immer zwischen ungläubigem Staunen und großer, unbändiger Freude über das, was Noah Hawley und Co da auf den Fernsehschirm zauberten. Bei einer derart visionären Show ist es natürlich bitter, dass diese schon nach drei Staffeln und 27 Folgen endet (siehe auch Penny Dreadful), vor allem weil das Potenzial für ein bis zwei weitere Seasons meiner bescheidenen Meinung nach durchaus vorhanden gewesen wäre. Aber es gilt die Entscheidung von Noah Hawley (Schöpfer, Showrunner, ausführender Produzent sowie Regisseur einiger Folgen), der Legion nach seinen eigenen Bedingen beendet hat, zu respektieren. Langeweile dürfte es Hawley ohnehin nicht werden. Schließlich betreut er weiterhin die mittlerweile in eine vierte Staffel gehende, auf dem gleichnamigen Film der Coen-Brüder basierende, Krimi-Anthologie-Serie Fargo, veröffentlichte kürzlich sein Filmdebüt als Regisseur (Lucy in the Sky, Kinostart April 2020) und wird außerdem einen neuen Star Trek-Film schreiben/inszenieren.

Doch zurück zu seinem Meisterstück. Der Blick des allmächtigen, psychisch labilen Protagonisten (in dessen Kopf mehrere “Persönlichkeiten” herumspuken) richtet sich in die Vergangenheit. Er möchte verhindern, dass sein Todfeind Amahl Farouk von ihm Besitz ergreift als David noch ein unschuldiges Baby ist. Dazu muss David seine Eltern warnen. Sein Vater ist bekanntlich der Telepath und Wissenschaftler Charles Xavier – besser bekannt als Professor X aus den X-Men-Filmen, wo er von Patrick Stewart (2000-2017) und James McAvoy (2011-2019) verkörpert wird. Hier gibt Harry Lloyd (Game of Thrones) den ikonischen Mutanten. Wir erfahren, dass sich Charles und seine Ehefrau Gabriel (Stephanie Corneliussen), welche ihre komplette Familie durch den Holocaust verloren hatte, nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Sanatorium kennen und lieben lernten. Die Zeitreisen haben allerdings fatale Auswirkungen auf die Gegenwart. Allein diese “Konsequenzen” sind genial inszeniert.

Legion bleibt sich dahingehend treu, dass die Story aus ungewöhnlichsten Blickwinkeln und mit kuriosesten Mitteln erzählt wird. Nach einem blutigen Kampf wechselt die Szene plötzlich zu einer melancholischen Musical-Nummer, in welcher die (noch) Lebenden und (gerade) Verstorbenen gemeinsam singen. Ein Konflikt wird nicht mit Fäusten oder Schusswaffen, sondern als Rap-Battle (!) ausgetragen. Was sollte nach dem Dance-Battle am Anfang von Staffel 2 auch anderes kommen? Nicht nur, dass die Handlung sich über mehrere Zeitebenen abspielt, Kapitel 25 eröffnet einer der Hauptfiguren ein alternatives Leben (ähnlich in der Folge Das zweite Leben von Star Trek: The Next Generation). Dabei vermischen sich auf aberwitzige Weise Märchenmotive und Lebenslektionen mit dem Setting einer Dickens-Verfilmung. Der große Showdown fällt dann weniger spektakulär aus als erwartet, aber wenn die Serie etwas kann, dann Erwartungen eben nicht erfüllen, sondern alles ganz anders gestalten. Mit der letzten Szene schließt sich der Kreis zum Anfang. Ein runder Schlusspunkt.

Ich werde diese visionäre und trotz aller ernster Thematiken auch immer unnachahmlich witzige Serie wahrlich vermissen. Denn nicht nur habe ich die meisten Figuren liebgewonnen (wie etwa das gegensätzliche Duo Cary/Kerry Loudermilk), sondern vor allem an Lenny einen Narren gefressen. Mit welcher Energie die geniale Aubrey Plaza diesen hyperaktiven, jede Szene an sich reißenden Charakter spielt, das ist schlicht und ergreifend großartig, obgleich auf eine bisweilen verstörende Art.

Leider ist die finale Staffel von Legion derzeit nur bei einem einzigen Streaminganbieter verfügbar: Magenta TV. Eine Veröffentlichung auf DVD und BluRay steht ziemlich in den Sternen, da es noch nicht einmal Season 2 fürs Heimkino gibt. Das ist sehr traurig.

Fazit: Mit den letzten acht Kapiteln geht die beste Comic-Adaption aller Zeiten und die beste Serie der 2010er Jahre genauso eigenwillig zu Ende wie sie begann. 9 von 10 Punkten.

 

Hinweis: weil die herrlich psychedelischen Artworks für sich sprechen habe ich diese bei der Auswahl der Bilder zur Staffel gewählt und konkrete Szenenfotos vermieden. Viel Spaß beim Ansehen!

Marius Joa, 31. Dezember 2019. Bilder: FX/Marvel.

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