Eher zufällig bin ich vor wenigen Tagen auf eine brandneue britische Krimiserie gestoßen. Von ihrem Ehemann verlassen, beginnt die Titelheldin Marcella wieder als Polizistin zu arbeiten und wird selbst in einen Mord verwickelt…
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Marcella
Krimi-Drama-Serie UK 2016. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 365 Minuten.
Mit: Anna Friel, Nicholas Pinnock, Sinéad Cusack, Ray Panthaki, Nina Sosanya, Harry Lloyd, Charlie Covell, Jack Doolan, Tobias Santelmann, Jamie Bamber, Patrick Baladi, Ben Cura, Ian Puleston-Davies u.a. Idee: Hans Rosenfeldt und Nicola Larder.
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Polizistin. Zeugin. Verdächtige.
Marcella Backland (Anna Friel), zweifache Mutter und Hausfrau, ist am Boden zerstört als Ehemann Jason (Nicholas Pinnock), Leiter der Rechtsabteilung bei der großen Baufirma DTG Constructions, erklärt, dass er sie verlassen wird. Nachdem der “Grove Park-Killer” nach elf Jahren scheinbar seine Mordserie fortsetzt nimmt Marcella, die den Fall früher bearbeitet hat, wieder ihre Tätigkeit als Detective Sergeant bei der Polizei von London auf und stürzt sich in die Ermittlungen. Als Marcella Jason heimlich verfolgt, findet sie heraus, dass er eine Affäre mit seiner jungen Kollegin Grace Gibson (Maeve Dermody), der Tochter von DTG-Firmenchefin Sylvie Gibson (Sinéad Cusack), hat. Marcella stellt ihre Rivalin zur Rede und erleidet plötzlich einen Blackout. Als sie wieder zu sich kommt, ist Grace verschwunden. Kurze Zeit später wird Graces Leiche gefunden, scheinbar getötet wie alle anderen Opfer des “Grove Park-Killers”. Marcella sucht mit ihren Kollegen nicht nur weiter nach dem Serienmörder, sondern muss auch ihre Spuren verwischen und herausfinden, was während ihres Blackouts passiert ist…
Jason verlässt Marcella aus heiterem Himmel
Mir persönlich ist die britische Schauspielerin Anna Friel (geboren am 12. Juli 1976) vor allem als Hermia in Michael Hoffmanns Kinoadaption von William Shakespeares Ein Sommernachtstraum (1999) sowie als wieder zum Leben erweckte Charlotte “Chuck” Charles aus der bunten, liebenswerten US-Serie Pushing Daisies (2007-2009) ein Begriff. Ganz und gar nicht heiter ist da Marcella, ein achtteiliges Krimi-Drama, konzipiert und überwiegend geschrieben vom schwedischen Autor Hans Rosenfeldt (The Bridge).
Der Titelheldin wird mehrfach der Boden unter den Füßen weggezogen. Ihr Mann betrügt sie erst heimlich jahrelang mit einer jüngeren Frau und verlässt sie dann ohne große Erklärung. Kein Wunder, dass Marcella in extremen Stresssituationen einfach “abschaltet” und während dieser Blackouts gewalttätig wird. Vergleichsweise harmlos ist ihr erster Ausbruch als Marcella “nur” auf ihren Noch-Ehemann einprügelt, damit dieser endlich das Haus verlässt. Egal wie tief sie fällt, Marcella, deren zwei Kinder (13 und 11 Jahre alt) glücklicherweise eine Internatsschule besuchen, rappelt sich immer wieder auf. Sehr zum Unmut ihrer Kollegen und Vorgesetzen agiert sie auch immer wieder auf eigene Faust, etwa wenn sie den Verdächtigen Peter Cullen (Ian Puleston-Davies), der zwar noch im Gefängnis einsitzt, aber tagsüber als Freigänger in einer Bäckerei jobbt, entgegen der Anweisung ihrer Chefin observiert.
Die Koproduktion zwischen dem britischen Sender ITV und Streaminganbieter Netflix zeichnet sich vor allem dahingehend aus, dass sie sich vielen auf den ersten Blick weniger wichtiger Nebenfiguren widmet. Das führt einerseits dazu dass die personelle Situation quantitativ nicht immer sehr übersichtlich ist, daraus zieht Marcella aber auch einen Großteil ihrer Spannung, schlicht weil sich der Kreis der Verdächtigen ständig erweitert und man sich nie sicher sein kann, ob es einen oder mehrere Täter bzw. Trittbrettfahrer gibt. Das lädt natürlich sehr zum Binge-Watching ein.
Mit seiner düsteren Inszenierung, bei welcher vor allem der pulsierende Score von Lorne Balfe auffällt, steht Marcella in der Tradition beliebter Crime-Noir-Serien aus Skandinavien ohne allerdings deren bisweilen ausufernde Gewaltdarstellungen. Die einzig wirkliche Schwäche ist aber so gravierend, dass sie sehr negativ ins Gewicht fällt. Als ziemlich am Ende die Identität des Serienmörders aufgedeckt wird, wirkt diese Auflösung ziemlich konstruiert und hält einer genaueren Betrachtung nicht wirklich stand. Bis dahin sind einige der Ent- und Verwicklungen nicht immer logisch, was aber nicht so ins Gewicht fällt.
Beim umfangreichen Darsteller-Ensemble setzt man auf weitgehend unbekannte, unverbrauchte Gesichter. Mit Ausnahme von Hauptakteurin Anna Friel, die als ambivalente Hauptfigur glänzt, sowie Harry Lloyd (Game Of Thrones, Doctor Who) als Graces Bruder Henry Gibson, Jamie Bamber als Marcellas alter Freund und Kollege Tim (Battlestar Galactica) und der irischen Schauspielerin Sinéad Cusack (V wie Vendetta, Camelot) als Sylvie Gibson.
Alle acht Episoden der Serie sind sowohl im englischen Original als auch in einer deutschen Synchronfassung bei Netflix verfügbar.
Fazit: Marcella überzeugt als nicht immer ganz logischer aber spannender Krimi-Achtteiler, der sich Zeit für die Entwicklung vieler Nebenfiguren nimmt. Die allzu konstruierte und schwache Auflösung am Ende mindert leider den recht positiven Gesamteindruck. 7 von 10 Punkten.
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Marcella und ihre Kollegen
Freigänger Peter Cullen zählt zu den Verdächtigen
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Marius Joa, 29. Juli 2016. Bilder: ITV/Netflix.
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