Marcella: Staffel 3

Unter anderer Identität hat die traumatisierte Polizistin Marcella, gespielt von Anna Friel, ein neues Leben angefangen und ermittelt undercover in einer nordirischen Familie, in der dritten Staffel der gleichnamigen Krimiserie.

Marcella: Staffel 3 (Marcella: Series 3)
Krimi-Drama-Serie UK 2020. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 366 Minuten.
Mit: Anna Friel, Ray Panthaki, Amanda Burton, Hugo Speer, Aaron McCusker, Michael Colgan, Kelly Gough, Martin McCann, Laurence Kinlan u.a. Idee: Hans Rosenfeldt und Nicola Larder. Regie: Gilles Bannier und Ashley Pearce.


Keira – Undercover in Belfast

18 Monate nachdem Marcella Backland (Anna Friel) erneut mit den verdrängten, traumatischen Erinnerungen über den Tod ihrer Tochter konfrontiert wurde und dabei einen völligen Zusammenbruch erlitt, der fast mit ihrem Selbstmord endete, hat die Polizistin unter anderem Namen, Keira Devlin, ein neues Leben angefangen. Weil Marcella offiziell als tot gilt konnte sie Frank Young (Hugo Speer) für eine Undercover-Operation in der nordirischen Hauptstadt Belfast rekrutieren. Dort hat sich Keira als Freundin von Lawrence Corrigan (Paul Kennedy), einem Buchhalter, in die Gangster-Familie Maguire eingeschlichen. Nach dem Tod ihres Mannes führt Matriarchin Katherine Maguire (Amanda Burton) das Familienunternehmen gemeinsam mit ihren Söhnen, dem unter Phobien leidenden Anwalt Rory (Michael Colgan) und dem eher tatkräftigen Finn (Aaron McCusker). Komplettiert wird die Sippe von deren Schwester Stacey (Kelly Gough), die mit dem hitzköpfigen Kleinganove Bobby Barrett (Martin McCann) verheiratet ist und von ihm ein Kind erwartet. Als Unregelmäßigkeiten in der Buchführung von Lawrence aufgedeckt werden gelingt es Keira in der Hierarchie der Familie aufzusteigen. Doch dann passiert ein Mord in London und Marcellas früherer Chef, Detective Chief Inspector Rav Sangha (Ray Pathanki), folgt einer Spur nach Belfast, welche direkt zu den Maguires führt…

Nicht nur die Hauptfigur der vom schwedischen Autor Hans Rosenfeldt (The Bridge) und der britischen Produzentin Nicola Larder (The Tunnel) ins Leben gerufenen britischen Nordic-Noir-Produktion Marcella erhielt mit Staffel 3 einen im Finale von Season zwei initiierten Neustart, auch die Serie an sich geht im dritten Jahr andere Wege. Ging es in den ersten beiden Staffeln noch um die Jagd auf Serienkiller bzw. Entführer, so dreht sich hier alles um eine gefährliche Undercover-Mission innerhalb einer nordirischen Familie, die mit Drogen-, Waffen- und Menschenhandel ihr Geld verdient und innerhalb Belfasts über großen Einfluss verfügt.

Diese Neuausrichtung gereicht dem Krimidrama beileibe nicht zum Nachteil. Im Gegenteil, es wirkt sogar erfrischend, dass Rosenfeldt, der zwei Skripts selbst verfasste und bei den übrigen Episoden die Storylines, und sein Autorenteam die inhaltliche Grundausrichtung ändern. Passend, schließlich hat Marcella alias Keira ihr altes Leben völlig hinter sich gelassen. Das hätte auch funktioniert, würde nicht ihr früherer Vorgesetzter Rav Sangha in Belfast auftauchen und ihr früher oder später über den Weg laufen. Die erste Folge nimmt ein Fragment des Finales vorweg und mit Ausnahme von Folge sechs geht die Handlung streng chronologisch vonstatten. Je mehr Keira in die Operationen der Maguire-Familie eingebunden wird, desto gefährlicher wird ihre Mission, was ihren Kontaktmann Frank Hughes dazu bringt, ihre Methoden zu hinterfragen, auch wenn ihm viel daran liegt, den kriminellen Clan hochzunehmen.

Doch irgendwann wird die nach außen hin so toughe Undercover-Ermittlerin (der man scheinbar für die Staffel plötzlich eine Herkunft aus Belfast angedichtet hat?) wieder von ihren Dämonen eingeholt und ihre Fassade bröckelt allmählich, was den Maguires nicht ewig verborgen bleibt. Staffel 3 greift dabei geschickt die psychischen Probleme der Protagonistin von früher auf und modiziert diese passend zur neuen Lebenssituation. Im Unterschied zu den ersten beiden Seasons wird hier ein allzu großes und weitverzweigtes Figurenensemble aufgeboten, sondern stattdessen auf kaum mehr als ein Dutzend Personen konzentriert. Dennoch erschienen mir manche Handlungselemente zu wenig ausgearbeitet. So wird zum Beispiel ein zwischendurch begangener Mord danach überhaupt nicht mehr erwähnt. Als hätten die Autoren einfach etwas vergessen. Außerdem gehen manche der Entwicklungen ein wenig zu schnell über die Bühne und obwohl Staffel drei genauso lang wie eins und zwei ist, kam diese mir ein wenig kurz vor.

Hinsichtlich der konsequenten Kompromisslosigkeit bleibt sich Marcella weiterhin treu. Opfer der verbrecherischen Machenschaften sind meist unschuldige, harm- uns machtlose, einfache Menschen, was natürlich nicht spurlos am Zuschauer und an der Hauptfigur vorübergeht. Das Ende bietet dann sogar etwas mehr als einen Hoffnungsschimmer und könnte auch als Schlusspunkt der Serie funktionieren, welches gleichzeitig aber auch Möglichkeiten einer Weiterführung offen lässt.

Bis auf die gewohnt solide Anna Friel (Pushing Daisies) in der Titelrolle, Ray Panthaki (Away, Gangs of London) als ihr Ex-Chef Rav Sangha und Hugo Speer (Die Musketiere, [2014-2016]) als Marcellas Kontaktmann Frank Young kehrten keine Darsteller aus den früheren Seasons zurück. Stattdessen wurden Schauspieler aus Nordirland gecastet, die man wahrscheinlich schon in anderen dort spielenden oder gedrehten TV-Produktionen gesehen hat, wie Amanda Burton (bekannt als Gerichtsmedizinerin Samantha Ryan aus Silent Witness) als Maguire-Matriarchin Katherine, Aaron McCusker (Bohemian Rhapsody, Shameless [Originalserie]) als Finn Maguire, Michael Colgan (The Fall – Tod in Belfast) als ältester Maguire-Sohn Rory, Kelly Gough (The Fall – Tod in Belfast) als deren Schwester Stacey sowie Martin McCann (The Frankenstein Chronicles) als Stacey Ehemann Bobby Barrett, der mit seinen unüberlegten und gewalttätigen Aktionen die Familie in Gefahr bringt.

Die dritte Staffel von Marcella ist seit dem 14. Juni 2020 bei Netflix abrufbar.

Fazit: Düstere, kompromisslose dritte Staffel der britischen Nordic-Noir-Serie um die von Anna Friel gespielte Polizistin, die nun als Undercover-Ermittlerin in Nordirland arbeitet. 8 von 10 Punkten.


Die Maguire-Familie
 

Marcellas Handler Frank
 

Das Anwesen der Maguires

 


Marius Joa, 23. März 2022. Bilder: Netflix/ITV.

 

 


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