Noch vor der Gründung der Geheimorganisation S.H.I.E.L.D. kämpft Agentin Peggy Carter aus den Marvel Comics in ihrer eigenen Serie gegen russische Finsterlinge und die Belanglosigkeit. Doch welchen Kampf hat sie gewonnen?
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Marvel’s Agent Carter
Science-Fiction/Agentenserie USA 2015. 8 Folgen (Staffel 1). Gesamtlänge: ca. 325 Minuten.
Mit: Hayley Atwell, James D’Arcy, Chad Michael Murray, Enver Gjokaj, Shea Whigham, Lyndsy Fonseca, Bridget Regan u.v.a. Idee: Christopher Markus und Stephen McFeely. Nach Charakteren von Stan Lee und Jack Kirby.
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Gadgets statt Tiefgang
1946. Nach dem Verlust von Steve Rogers alias Captain America (Chris Evans) und dem Ende des Zweiten Weltkrieges fristet Agentin Peggy Carter (Hayley Atwell) beruflich ein trauriges Dasein beim US-Geheimdienst SSR in New York. Ihre ausschließlich männlichen Kollegen wie Agent Thompson (Chad Michael Murray) oder Dienststellenleiter Chief Dooley (Shea Whigham) nehmen sie nicht als gleichwertige Mitarbeiterin ernst. Und so beinhalten Peggys wichtigste Aufgaben Kaffee kochen und Telefondienst. Da meldet sich Milliardär und Erfindergenie Howard Stark (Dominic Cooper) und bittet Peggy ihm aus der Patsche zu helfen. Denn einige seiner gefährlichen Erfindungen wurden gestohlen und Stark wird daher von der US-Regierung verdächtigt, mit dem Feind zu kollaborieren. Dank der Unterstützung von Howards ergebenem Butler Edwin Jarvis (James D’Arcy) kommt die Agentin allmählich einer Verschwörung der russischen Geheimorganisation Leviathan auf die Spur. Parallel ermitteln die SSR-Agenten Thompson und Souza (Enver Gjokaj) ebenfalls im Fall des heiklen Diebesgutes. Peggy muss ihren Kollegen immer einen Schritt voraus sein, um nicht aufzufliegen…
Peggy Carter, topmodisch in den Farben ihres Verflossenen
In der Pause der zweiten Staffel von Marvel’s Agents Of S.H.I.E.L.D. debütierte auf dem US-Sender ABC Anfang Januar die achtteilige Miniserie Marvel’s Agent Carter, in welcher die Titelfigur und ehemalige Freundin/Kampfgefährtin von Captain America als Doppelagentin agiert, um die Unschuld des schwerreichen Tüftlergenies Howard Stark zu beweisen. Auf dem Papier bietet die neueste Marvel-Comic-Adaption für die Flimmerkiste also durchaus inhaltliches und zeitliches Potenzial der Hauptfigur etwas Tiefe und Hintergrundstory zu spendieren. Nur scheinen die Autoren und Produzenten daran nicht interessiert zu sein.
Es beginnt damit, dass Geheimagentin Peggy Carter eine „Mary Sue“ ist wie sie im Buche steht. Peggy ist intelligent und stark, meistert jede Situation mit Bravour. Gelingt ihr etwas ausnahmsweise einmal nicht, so kann sie ihren Fehler gleich wieder ausbügeln. Außerdem nimmt sie es im Zweikampf nicht nur mit ausgewachsenen Agenten sondern auch mit gefährlichen Killern auf, als wäre sie das gemeinsame Kind der Liebe von Bud Spencer und Chuck Norris.
Die übrigen Charaktere erhalten zwar ein klein wenig Biografie, kommen aber äußerst selten darüber hinaus, klischeehafte Abziehbilder oder funktionale Pappfiguren zu sein. Da liefert die steife und vornehm-zimperliche Art von Butler Jarvis (nach welchem Howard Starks Sohn Tony alias Iron Man die künstliche Intelligenz seines Computersystems benannt hat) noch das höchste der Gefühle. Für Freunde schlecht geschriebener und noch schlechter gespielter, russischer Killermiezen die sich als Mischung aus amerikanischer Unschuld vom Land und top gestylter Großstadt-Madame tarnen, wurde eigens die Figur von Dottie Underwood kreiert.
Für Tiefgang ist in der nach biederstem Schema F zurechtgeschnitzten US-Networkserie, deren Episoden nie länger als 40 Minuten (inklusive Rückblende und Abspann!) laufen, ohnehin kein Platz. Denn schließlich muss ständig irgendeinem neuen Hinweis oder einem von Howard Stark erfundenen, tödlichen Gadget nachgejagt werden. Eine alternative Karriereoption für den unverbesserlichen Schürzenjäger Howard wäre übrigens die Leitung der Abteilung Q beim britischen Geheimdienst MI6. Nur könnte es da zu Streitigkeit mit 007 wegen der Belegung der Bond-Girls kommen.
Im Grunde taugt „Agent Carter“ eher als Verfilmung diverser zeitgenössischer Groschenromane, als B-Movie im Fernsehformat, nur eben ohne den Hauch einer ironischen Durchbrechung, welche aufgrund fehlender Substanz notwendig wäre, um die ganze Chose wirklich unterhaltsam zu gestalten. Immerhin legt die Handlung was Spannung und Dramatik betrifft im Verlauf etwas zu.
Den Umstand, dass die amerikanische Filmkritikerlandschaft diesen „Akte X-Vorläufer für Arme“ fast durchwegs als positiv bewertet hat, lässt zwei Interpretationsmöglichkeiten zu: patriotisches Kopfnicken oder den unerschütterlichen guten Willen in jeden Blödsinn Qualität und Tiefgründigkeit “hineindeuten“ zu können.
Vom 27. Mai bis 15. Juli 2015 lief Agent Carter auf dem deutschen Bezahlsender SyFy. Eine Ausstrahlung im Free-TV bzw. Veröffentlichung auf BluRay/DVD ist bisher nicht in Sicht. Für Januar 2016 ist in den USA eine zweite Staffel mit zehn Folgen geplant.
Fazit: Agent Carter leidet an den gleichen Symptomen wie Captain America, nämlich der Versteifung auf halbgare Science-Fiction, flache Charaktere und oberflächliche Versatzstücke. 3 von 10 Punkten.
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Butler Jarvis
Agent Souza, Chief Dooley und Agent Thompson
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