Zumindest für mich ziemlich überraschend hat Parlament, die EU-Politsatire in Serienform, eine vierte Staffel erhalten. Dieses Mal steht für Protagonist Samy und seine Kolleg*innen auf einem wichtigen EU-Gipfel Einiges auf dem Spiel.
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Parlament: Staffel 4 (Parlement: Saison 4)
Politsatire Frankreich, Belgien, Deutschland 2024. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 220 Minuten.
Mit: Xavier Lacaille, Liz Kingsman, Georgie Scalliet, Barbara Krzoska, Elina Löwensohn, Martin Brambach, Soma Pysall, Martina Eitner-Acheampong, Ambrose Carminati, Eric Caravaca u.a. Idee: Noé Debré.
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Der finale Gipfel
Nachdem Samy Kantor, ehemaliger Assistent und später Berater im Europäischen Parlament, am Ende von Staffel 3 in die Europäische Kommission zu Valentine Cantel, seiner früheren Chefin und zwischenzeitlichen Widersacherin gewechselt war, bin ich davon ausgegangen, dass damit auch die von Noé Debré geschaffene und als Head-Autor betreute Polit-Comedy zu Ende gehen würde. Doch weit gefehlt. Im November 2024 erschien bei One und in der ARD-Mediathek eine vierte und letzte Runde mit erneut 10 Folgen, wie üblich mit einer Laufzeit von 20 bis 23 Minuten pro Episode.
Ganz Brüssel ist in Aufruhr. Denn der EU-Gipfel steht bevor. Samy Kantor (Xavier Lacaille) arbeitet mittlerweile als Berater in der EU-Kommission für Kommissarin Valentine Cantel (Georgia Scalliet). Allerdings findet er sich in einem Ausschuss wieder, in welchem unbeliebte Projekte „abgeschoben“ werden. Unterdessen werkeln Samys Freundin, die Britin Rose Pilkington (Liz Kingsman), und ihre polnische Kollegin Magda Nowak (Barbara Krzoska) an ihrem Podcast über die Europäische Union. Konrad Stracke (Martin Brambach), der deutsche Präsident des Europäischen Parlaments, versucht mit seiner findigen Assistentin Zeyneb (Soma Pysall) unterdessen, seine Sichtbarkeit im Brüsseler Politikbetrieb zu verbessern. Kommissionsmitarbeiterin Carmen Saura (Elina Löwensohn) beginnt langsam zu begreifen, dass der Gipfel fast zum Scheitern verurteilt ist…
Serienschöpfer Noé Debré wuchs in Straßburg auf und konnte von seinem Zimmer aus das Kommen und Gehen im EU-Parlament beobachten. Seinem Autor*innen-Team, zu dem auch Mitarbeiter*innen von EU-Institutionen gehören, und ihm gelang es die Organisation und Funktionen der einzelnen EU-Bereiche auf lehrreiche, spannende und vor allem witzige Weise zu vermitteln. Nach der herausragenden ersten Staffel folgten die nicht mehr ganz so starken, aber immer noch sehr guten Seasons zwei und drei. Mit der etwas überraschenden vierten Staffel geht Parlament nach insgesamt 40 Episoden zu Ende.
Nach dem titelgebenden Legislativorgan (Staffel 1), Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission (Staffel 2) sowie den Wechselwirkungen zwischen letztgenannten Institutionen befasst sich die finale Runde mit einem wichtigen EU-Gipfel. Leider wirkt das in der ersten Hälfte inhaltlich einigermaßen zerfahren und vor allem der Handlungsstrang um den deutschen Parlamentspräsidenten Stracke, der die eigene Bedeutungslosigkeit zu überwinden versucht, erscheint eher bemüht als wirklich witzig. Doch als manche der Figuren erkennen, dass mehr als nur ein EU-Gipfel auf dem Spiel steht, findet die Finalstaffel in den Folgen sechs bis zehn wieder fast zu alter Stärke zurück.
Nicht nur dass der eigentlich nicht mehr so unerfahrene Samy wieder zwischen die Mühlen der Union gerät und sich bisweilen zu verlieren scheint. Auch die einseitige Beziehung zwischen Samys Freundin Rose und ihrer polnischen Kollegin Magda wird erforscht. Zudem lernen wir einige neue Figuren kennen, etwa Felix, der dem französischen Botschafter assistiert, und seinem weiblichen deutschen Gegenpart „näher kommen“ soll, was leider nicht besonders einfallsreich geriet. Gekonnt werden dagegen philosophisch Fragen eingestreut und die absurd-albernen Konflikte wegen Nichtigkeiten zwischen verschiedenen Ländern entlarvt.
Bei allerlei humorvoller Überzeichnung des politischen Klein-klein und der unsinnigen Grabenkämpfe macht Parlament auch in seinen letzten Episoden einmal deutlich, welch große Bedeutung die Europäische Union hat, vor allem als den Frieden aufrechterhaltender Völkerbund in Krisenzeiten. Und ehrlich gesagt habe ich die Figuren der Serie wirklich ins Herz geschlossen. Während Samy, Rose und Valentine weiter im Mittelpunkt stehen so absolvieren manche der früheren Hauptcharaktere nur einen kurzen Auftritt oder rücken eher ins zweite Glied zurück. Jedenfalls hat es die französisch-belgisch-deutsche Ko-Produktion geschafft, die Funktionsweise der EU-Institutionen auf besondere Weise näher zu bringen. Und das allein genügt als Daseinsberechtigung auch wenn das hohe Niveau der ersten Staffel(n) nicht wieder erreicht wurde.
Die vierte und letzte Staffel von Parlament ist noch bis einschließlich 2. Mai 2025 in der ARD-Mediathek abrufbar, sowohl in der (holprigen) deutschen Synchronfassung als auch der Originalversion mit zuschaltbaren Untertiteln.
Fazit: Trotz inhaltlicher Unebenheiten bietet Parlament auch in der finalen Staffel humorvolle Politsatire und dabei gelingt ein runder Abschluss dieser insgesamt tollen Serie. 7 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 24. Dezember 2024. Bilder: France.TV/BeTV/WDR/One.
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