Penny Dreadful

Nicht nur die Pay-TV-Giganten HBO und AMC produzieren hochwertige Qualitätsserien. Auch die Sony-Tochter Showtime hat einen neuen Leckerbissen zu bieten: die innovative Horror-Pastiche Penny Dreadful.

9-10Penny Dreadful
Horrorserie USA/UK/Irland 2014. 8 Folgen (Staffel 1). FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Gesamtlänge: ca. 420 Minuten (PAL-DVD).
Mit: Timothy Dalton, Eva Green, Josh Hartnett, Reeve Carney, Rory Kinnear, Billie Piper, Danny Sapani, Harry Treadaway u.v.a. Idee & Drehbuch: John Logan.

 

Penny Dreadful_Poster

Willkommen in der Halbwelt

London, 1891. Der amerikanische Schausteller und Revolverheld Ethan Chandler (Josh Hartnett) wird von der geheimnisvollen Vanessa Ives (Eva Green) für „Nachtarbeit“ angeworben. Gemeinsam mit dem erfahrenen Abenteurer Sir Malcolm Murray (Timothy Dalton) spüren sie ein Nest von umheimlichen blutsaugenden Kreaturen auf, die für die Entführung, Zerstückelung und Ermordung diverser Opfer verantwortlich sind. Sir Malcolm ist auf der Suche nach seiner Tochter Mina (Olivia Llewellyn), die von deren Meister entführt wurde. Für die Untersuchung der getöteten Wesen wird der junge Mediziner Victor Frankenstein (Harry Treadaway) engagiert. Frankenstein selbst hat ebenfalls seine Geheimnisse. In seinem Dachboden hat er einen aus Leichenteilen zusammengeflickten Menschen wieder zum Leben erweckt. Doch dieses „Monster“ (Rory Kinnear) verlangt von seinem Schöpfer ein besonderes Geschenk. Um genügend Geld zusammen zu bringen muss Victor auch weiterhin für Sir Malcolm arbeiten. Nach anfänglichem Zögern entscheidet sich auch Ethan, die Arbeit fortzusetzen, vor allem weil seine Geliebte, die an Tuberkulose dahinsiechende Straßendirne Brona Croft (Billie Piper), Unterstützung benötigt. Der Schlüssel zum Meister der Blutsauger sind nicht nur die diversen Indizien, sondern auch Vanessa selbst. Denn die junge Frau war früher die beste Freundin Minas und kämpft seit einem folgenschweren Fehltritt gegen ihren eigenen Dämon. Außerdem interessiert sich der charismatische Lebemann Dorian Gray (Reeve Carney) für Miss Ives…

Penny Dreadful_Sir Malcolm Sir Malcolm Murray

Als „Penny Dreadful“ bezeichnet man eine im England des 19. Jahrhunderts verbreitete Form des Groschenromans, durch welche reißerische Schauergeschichten verbreitet wurden. Häufig verarbeitete man in diesen Heftchen reale Morde oder reproduzierte bekannte Horrorklassiker. Nach jenen Büchlein hat Drehbuchautor John Logan (Gladiator, Hugo Cabret, James Bond: Skyfall) seine Serie benannt. In acht Folgen gelingt es Logan nicht nur ein kreatives und spannendes Szenario zu schaffen, sondern auch seinen Figuren Leben einzuhauchen sowie dem Zuschauer vielerlei Spielarten des Horrors eindrucksvoll vorzuführen.

Auch als Fernsehserie vereint Penny Dreadful gemeinfreiheitliche Charaktere aus bekannten Werken der viktorianischen Phantastik (Frankenstein und seine Kreatur aus dem Roman von Mary Shelley, die Titelfigur aus Oscar Wildes Das Bildnis des Dorian Gray sowie Mina Murray und Abraham Van Helsing aus Bram Stokers Dracula) mit neu erfundenen Figuren wie Abenteurer Sir Malcom Murray, Revolverheld Ethan Chandler und Vanessa Ives, Minas ehemals beste Freundin. Was das Figurenensemble betrifft handelt es sich natürlich um eine Variante von Alan Moores eklektischer Comicreihe The League Of Extraordinary Gentlemen, in welcher verschiedene Charaktere aus der viktorianischen Phantastik in einer alternativen Geschichte metafiktionale Abenteuer erleben. Penny Dreadful ist freilich nicht im Steampunk, sondern im klassischen Horror beheimatet.

Im Grunde kann man die amerikanisch-britisch-irische Co-Produktion als Fernsehversion eines modernen Schauerromans im klassischen Gewand verstehen, die den Zuschauer in die Halbwelt zwischen diffusen menschlichen Ängsten und dem Schrecken der Finsternis entführt. Dieser Schrecken manifestiert sich nicht nur durch böse Kreaturen, sondern in den Charakteren selbst. Sie alle tragen das Böse in sich, sind Helden und Monster zugleich. So z.B. Sir Malcolm, der als renommierter Entdecker nach dem Tod seines Sohnes wenigstens noch seine Tochter retten will. Für diese ist er jederzeit bereit über Leichen zu gehen. Wortwörtlich Leichen im Dachboden (nicht im Keller!) hat der junge Mediziner Victor Frankenstein, der bereits mehrere tote Körper zum Leben erweckt hat und dem die Konsequenzen seines Schöpfungsdrangs über den Kopf wachsen. Das finstere Geheimnis des anfangs wortkargen Amerikaners Ethan Chandler erfährt man sehr spät. Seine Geliebte Brona wird allmählich von Tuberkulose zerfressen und ihre Hoffnung auf Heilung schwindet gleichsam dahin.

Penny Dreadful_Ethan                               Revolverheld Ethan Chandler

Sein Herzstück hat Penny Dreadful aber eindeutig in Vanessa Ives. Sie ist nicht nur eine der treibenden Kräfte im Kampf gegen die dunklen Kreaturen der Nacht, sondern selbst von einem Dämon bessessen, der immer wieder Besitz von ihr ergreift. Vanessa ist die Wandlerin zwischen Licht und Schatten. Während ihrer Besessenheit wird sie zum Furcht einflößenden Ungeheuer, das mit urtümlicher Zunge spricht und eine Spur der Verwüstung zu hinterlassen vermag. Diese innerlich zerrissene junge Frau spielt die schwedisch-französische Darstellerin Eva Green (Casino Royale, Womb, Sin City 2) mit eindringlicher Wucht und großen Körpereinsatz. Für Green ist Penny Dreadful erst die zweite Fernsehproduktion nach ihrer Rolle als Morgan Le Fay in der durchwachsenen Artussagen-Adaption Camelot (2011).

Die Drehbücher von Serienschöpfer Logan glänzen mit diversen literarischen Anspielungen, die Metaebenen durchbrechen. Etwa wenn Frankenstein mehrfach eines der thematisch allzu passenden Gedichte von Percy Bysshe Shelley, dem Ehemann seiner Schöpferin Mary Wollstonecraft Shelley, zitiert. Oder in Person des alten Professors Van Helsing (gespielt von David Warner), welcher dem jungen Victor erklärt, was denn ein Vampir ist und wo er über dieses Thema am besten nachlesen kann, nämlich in den „penny dreadfuls“.

Was nützen intelligente Skripts und tolle Schauspieler, wenn der Funke nicht überspringt? Doch für die richtige Atmosphäre wurde bei Penny Dreadful ebenfalls gesorgt. Die Dreharbeiten für die acht Episoden der ersten Staffel dauerten fünf Monate, ein Zeitrahmen den sonst nur große Blockbuster zur Verfügung haben. Die akribische Arbeit (manche Szenen wurden bis zu dreißigmal aufgenommen) hat sich wahrlich gelohnt. In einem gekonnten Balanceakt zwischen unheilsschwangerer Stimmung und heftigen Schockmomenten transportiert die Inszenierung wunderbar den Ton der Geschichte und die innerliche Zerrissenheit der Figuren. Und selten hat man (selbst bei Pay-TV-Produktionen) solche famosen Bilder in Kinoqualität gesehen, die sicher ohne Probleme auch auf großen IMAX-Leinwänden bestehen könnten.

Dass die geniale Serie aber immer noch ein Geheimtipp-Dasein fristet, liegt sicherlich auch daran, dass sie in Deutschland bisher nur über das Ondemand-Portal Netflix (seit 16. September 2014) verfügbar ist. Am 5. März 2015 erscheint die erste Staffel auf DVD und BluRay. Ab 26. April sendet Showtime in den USA die zehnteilige zweite Staffel, welche hoffentlich mehr Aufmerksamkeit erhält, die sich Penny Dreadful redlich verdient hat.

Fazit: In nur acht Folgen vermischt die Serie von John Logan vorder- und hintergründigen Horror mit viktorianischem Setting und Bildern in höchster Kinoqualität. Genial geschrieben, eindringlich gespielt, stimmungsvoll und niemals übertrieben inszeniert. 9 von 10 Punkten.

Penny Dreadful_Vanessa
Eva Green als Vanessa Ives
Episode 104
Dorian Gray ist ein Mann für vielfältige Sinnesfreuden

 

Marius Joa, 7. Februar 2015: Bilder: Showtime/Paramount.

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