Penny Dreadful: Staffel 2

Mit seiner nach klassischen Gruselgroschenromanen benannten Serie schuf Drehbuchautor John Logan nicht nur eine einfallsreiche Neuinterpretation von Figuren aus der viktorianischen Phantastik, sondern vor allem eine packende und grandios inszenierte Horrorpastiche. Kann Penny Dreadful das hohe Niveau auch in der zweiten Staffel halten?

9-10Penny Dreadful – Staffel 2 (Penny Dreadful – Season 2)
Horrorserie USA/UK/Irland 2015. 10 Folgen. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Gesamtlänge: ca. 544 Minuten.
Mit: Timothy Dalton, Eva Green, Josh Hartnett, Reeve Carney, Rory Kinnear, Billie Piper, Danny Sapani, Harry Treadaway, Simon Russell Beale, Helen McCrory, Sarah Green u.v.a. Idee & Drehbuch: John Logan.

 

Penny Dreadful 2_DVD

Verbis Diablo

Unter schweren persönlichen Verlusten konnte der Meistervampir vom Angesicht dieser Erde getilgt werden. Doch während Sir Malcolm Murray (Timothy Dalton) und seine Vertraute, Vanessa Ives (Eva Green), das Dahinscheiden von Malcolms Tochter/Vanessa bester Freundin Mina zu verkraften haben, plagen den Revolverhelden Ethan Chandler (Josh Hartnett) ganz andere Probleme. Bei seinem letzten „Vollmondausbruch“ hat der Amerikaner ein Massaker unter den Anwesenden (darunter auch zwei Detektive der renommierten Agentur Pinkerton’s) im Mariner’s Inn angerichtet und nun die Polizei in Person von Inspektor Rusk (Douglas Hodge) im Nacken. Die Leiche von Ethans verstorbener Geliebten Brona (Billie Piper) hat Victor Frankenstein (Harry Treadaway) an sich genommen, um sie als perfekte Gefährtin für Caliban (Rory Kinnear), seine deformierte erste Schöpfung, wieder zum Leben zu erwecken. Caliban findet unter dem Decknamen John Clare ein Engagement im Wachsfiguren-Gruselkabinett von Mr. Putney (David Haig). Neues Unheil ist nicht fern und lauert in Person von „Spiritualistin“ Evelyn Poole alias Madame Kali (Helen McCrory), die mit ihren Hexenzirkel Finsteres vorhat…

Penny Dreadful 2_CastMit den acht Episoden der ersten Staffel von Penny Dreadful hieß Serienschöpfer, Showrunner und alleiniger Drehbuchautor John Logan die Zuschauer 2014 in der viktorianischen Halbwelt willkommen. Ein Ort den nicht nur bekannte Figuren aus der zeitgenössischen Phantastik (wie Frankenstein und sein Monster sowie der unsterbliche Dorian Gray) bewohnen, sondern auch innere Dämonen und finstere alte Mächte. Bei Staffel 2 kann Logan aufgrund der Erhöhung der Episodenanzahl von acht auf zehn erzählerisch sogar noch mehr aus dem Vollen schöpfen und es gelingt, das illustre Figurenensemble zu erweitern. Die bisherigen Gastdarsteller Simon Russell Beale (Alice im Wunderland, 1999) als affektierter Altertumswissenschaftler Ferdinand Lyle und Helen McCrory (Harry Potter und der Halbblutprinz, Hugo Cabret) in der Rolle von Evelyn Poole wurden der Hauptbesetzung hinzugefügt. Gleich im Staffelauftakt wird Mrs. Poole als Antagonistin und Anführerin des Hexenzirkels offenbart. Dadurch erscheint natürlich ihr Verhalten in der zweiten Folge von Season 1 (Seance) in einem ganz anderen Licht.

Ohne sich groß mit Andeutungen aufzuhalten werden die unheimlichen Kräfte von Evelyn Poole und ihren Hexen, darunter mit Hekate (Sarah Greene) auch ihre Tochter, gleich zu Beginn der Season thematisiert, wenn gleich jede Episode tiefer in die Abgründe der hier praktizierten Schwarzen Magie blickt. Eine wichtige Rolle spielt dabei die sogenannten Verbis Diablo, die mythische Sprache des Teufels. Hier kommt auch der exzentrische Ägyptologie und Experte für alte Sprachen, Ferdinand Lyle, ins Spiel, der „Logans Liga“ (nennen wir das hier sich immer wieder zusammenschließende Team in Anlehnung an Alan Moores League Of Extraordinary Gentlemen einfach so) mit seinen Fachkenntnissen berät und im Kampf gegen die Hexen zur Seite steht. Der britische Schauspieler Simon Russell Beale sieht in der Rolle des Ferdinand Lyle dank seiner äußerst grotesk wirkenden Haarpracht wie der kuriose Vorläufer von Jim Broadbents Harold Zidler, dem Besitzer des titelgebenden Nachtclubs in Baz Luhrmanns Filmmusical Moulin Rouge, aus.

Wie zuvor wirft eine komplette Folge der Staffel einen Blick in die alles andere als rosige Vergangenheit von Vanessa Ives. Nach dem Verschwinden ihrer Freundin Mina, welches der Handlung der ersten Staffel vorausging, sucht die verstörte Vanessa Zuflucht bei einer guten Hexe (gespielt von Musicaldarstellerin Patti LuPone), die in einer Moorlandschaft lebt und wegen ihrer gelegentlichen „Dienstleistungen“ für ungewollte schwangere Frauen als „Cut-Wife“ bekannt ist. Die Hexe unterweist Vanessa in magischen Fertigkeiten während der Zuschauer auch einiges über die Vorgeschichte von Madame Kali/Evelyn Poole erfährt.

Inhaltlich konzentriert sich die Serie weiterhin nicht nur auf einen Haupthandlungsstrang (hier der Kampf gegen die Hexen), sondern lässt die meisten der zentralen Figuren zusätzlich ihre eigenen „Abenteuer“ erleben. Revolverheld Ethan Chandler hat natürlich das gravierende Problem, dass er sich bei Vollmond in eine reißende Bestie verwandelt und dies auch weiter geheimhalten möchte. Den größten „Nebenkriegsschauplatz“ hat freilich Dr. Victor Frankenstein, der den toten Körper der Prostituierten Brona als Braut für Caliban wieder zum Leben erweckt hat. Doch die junge Frau, der Victor erklärt, sie sei seine von einem Unfall traumatisierte Cousine Lily, auf ihre Rolle als Gefährtin eines deformierten Mannes vorzubereiten, gestaltet sich schwieriger als vermutet. Weitgehend sein eigenes dramaturgisches Süppchen kocht der unsterbliche Hedonist Dorian Gray, dessen Geschichte sich weiterhin nur selten mit denen der anderen Figuren überschneidet.

Gekonnt spielt Autor John Logan mit den äußeren und inneren Dämonen seiner innerlich zerrissenen Charaktere, mixt virtuos die einzelnen Elemente zu einem schillernden, viktorianisch-phantastischen Horror-Cocktail. Dabei profitiert er natürlich auch von den ungemein starken Schauspielern. Besonders Eva Green spielt sich als Vanessa Ives, die gleichzeitig stark und verletzlich, selbstbewusst und labil, düster und liebevoll sein kann, wieder (no pun intended) die Seele aus dem Leib. Und selten hat man so mit einem „Monster“ gelitten wie bei Rory Kinnear (James Bond: Skyfall) als Frankensteins Kreatur, die sich nach dem sehnt, was ihr Schöpfer ihr nicht gegeben hat, nämlich Liebe. In einer Untergrundstation für Cholera-Kranke treffen diese beiden interessanten Personen aufeinander und kommen ins Gespräch, ohne zu wissen, dass sie ja „gemeinsame Freunde“ haben. Diese sehr poetischen Szenen belegen, dass die Serie auch bei ihren leisen Tönen überzeugen kann.

Wie gewohnt atmet Penny Dreadful in so gut wie jeder ihrer Szenen Kinoqualität. Die Sets und Kostüme sind nahezu verschwenderisch opulent (aber nie zu dick aufgetragen). Immer wieder nimmt sich die Kamera Zeit, in den einzelnen Szenerien zu schwelgen und sorgt so für eine selten stimmungsvolle (und beispiellos unheimliche) Atmosphäre.

Am 4. Mai 2016 erscheint die zweite Staffel von Penny Dreadful auf BluRay und DVD. Bereits drei Tage zuvor, am 1. Mai, beginnt Showtime in Nordamerika mit der Ausstrahlung der neunteiligen dritten Season. Voraussichtlich wird die jeweilige neue Folge wenige Tage später auf Netflix verfügbar sein.

Fazit: Auch in der zweiten Staffel erweist sich Penny Dreadful als kunstvoll komponiertes, intensives Horror-Drama und gehört derzeit wohl zu den besten Fernsehserien. 9 von 10 Punkten.

Penny Dreadful 2_Beratung
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Marius Joa, 30. März 2016. Bilder: Showtime/Paramount.

 


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