Nur die Besten sterben jung, sagt ein Sprichwort. Im Falle von Penny Dreadful trifft das den Nagel auf den Kopf. Denn schon nach drei Staffeln mit insgesamt nur 27 Episoden endet die geniale Horrorserie von John Logan.
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Penny Dreadful: Staffel 3 (Penny Dreadful: Season 3)
Horrorserie USA, UK, Irland 2016. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 9 Folgen. Gesamtlänge: ca. 462 Minuten.
Mit: Timothy Dalton, Eva Green, Josh Hartnett, Reeve Carney, Rory Kinnear, Patti LuPone, Billie Piper, Wes Studi, Harry Treadaway, Shazad Latif u.a. Idee: John Logan.
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„Where is it now, the glory and the dream?“
Oktober 1892. Während vor allem in London um den just verstorbenen Dichter und „Poet Laureate“ Alfred Lord Tennyson (1809-1892) getrauert wird, hat sich Vanessa Ives (Eva Green) völlig zurückgezogen und verwahrlost sowohl physisch als auch psychisch. Sir Malcolm (Timothy Dalton) ist auf dem langen Rückweg vom Begräbnis seines Dieners und Freundes Sembene, als er überfallen wird. Zu Hilfe eilt dem erfahrenen Afrika-Forscher der amerikanische Ureinwohner Kaetenay (Wes Studi) vom Stamme der Apachen. Kaetenay erklärt Malcolm, dass sie beide eine wichtige Mission haben: nämlich „ihren Sohn“ Ethan Talbot alias Ethan Chandler (Josh Hartnett) zu retten. Dieser befindet sich mit dem britischen Inspektor Rusk (Douglas Hodge) auf dem Heimweg in den amerikanischen Westen, um dort die gerechte Strafe für seine im Lichte des Vollmonds begangenen Morde zu zahlen.
Die beiden unsterblichen Dorian Gray (Reeve Carney) und Lily Frankenstein, ehemals Brona Croft, (Billie Piper) retten die blutjunge Prostituierte Justine (Jessica Barden) aus einem Folterkeller und starten gemeinsam mit ihr eine Revolution der „gefallenen Mädchen“. Dr. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) versucht unterdessen, seine Drittschöpfung Lily wieder für sich zu gewinnen und schreckt dabei auch nicht vor gewaltsamen Mitteln zurück. Dabei arbeitet Victor mit seinem alten Studienfreund Dr. Henry Jekyll (Shazad Latif) zusammen, der im Keller der Londoner Irrenanstalt Bedlam ein Labor eingerichtet hat. Frankensteins erste Schöpfung alias John Clare (Rory Kinnear) wird auf seiner Reise zum Nordpol plötzlich von Erinnerungen an seine Zeit vor dem Tod überrascht und kehrt nach England zurück, um seine Familie zu finden. Auf persönliche Empfehlung von Ägyptologe Ferdinand Lyle (Simon Russell Beale) begibt sich Vanessa bei der renommierten, amerikanischen Psychologin Dr. Seward (Patti LuPone) in therapeutische Behandlung. Schon bald breitet sich neues Unheil über London aus: Dracula…
Mit der US-Ausstrahlung der letzten beiden Folgen am 19. Juni 2016 der dritten Staffel wurde das Ende von Penny Dreadful nach eben jenen Episoden verkündet. Auch wenn der Schlusspunkt genau an dieser Stelle aufgrund der Ereignisse im Staffel- und damit auch Serienfinale logisch erscheint und genau dem Wunsch des kreativen Masterminds John Logan entspricht, so trifft einen als Zuschauer (und Fan) der Verlust dieser einzigartigen, großartigen TV-Produktion doch sehr, genau wie der Abschied von einer überaus beliebten Figur.
Logan, der unter anderem die Drehbücher zu den Filmen Gladiator, Star Trek: Nemesis, Aviator und Hugo Cabret (mit)verfasste und auch an den beiden letzten James-Bond-Filmen Skyfall und Spectre als Co-Autor beteiligt war, rührt aus literarischer Phantastik und historischen Motiven einen Gruselcocktail an, der eigentlich ungenießbar sein müsste, wäre er nicht so fesselnd, feurig und intensiv. Nicht nur, dass Vampire – oder besser gesagt DER Vampir schlechthin – nach der ersten Staffel erneut als Gegenspieler auftreten und die allgegenwärtigen inneren Dämonen der seelisch dauergeplagten Vanessa Ives wieder ihren Tribut fordern. Es wird auch ein furioses Untergangsszenario inszeniert und während des Gefangenen-Transports von Ethan Talbot/Chandler quer durch die USA auch jegliche Western-Romantik den monströsen Auswüchsen des Untiers namens Mensch zum Fraß vorgeworfen. Eine wichtige Rolle bei letzterem Handlungsstrang, aber generell in der Season, spielt dabei Ethans Apachen-Mentor Kaetenay, gespielt von dem Cherokee-Indianer Wes Studi (Der mit dem Wolf tanzt, Der letzte Mohikaner). Auch die überwiegend als Musicaldarstellerin bekannte Patti LuPone (in Staffel zwei als gute „Moorhexe“ zu sehen) ist wieder mit von der Partie, dieses Mal als Therapeutin Dr. Seward, die durch Hypnose Vanessas Problemen auf den Grund zu gehen versucht. Aus jenen Sitzungen geht auch das schaurige Highlight der Staffel hervor, die vierte Folge A Blade Of Grass, die sich während ihrer 57 Minuten Laufzeit fast ausschließlich in einer Gummizelle abspielt. Ein „Zwei-Personen“-Stück, bei dem sich Eva Green in ihrer Paraderolle als Vanessa Ives noch mehr als sonst die Seele aus dem Leib spielt.
Darüberhinaus gelingt es in den neun Folgen, die Geschichten aller wichtigen Figuren zu einem recht runden Schlusspubnkt zu führen. Vermutlich hätte man aus der Figur des Dr. Jekyll (aus Dr. Jekyll und Mr. Hyde von Robert Louis Stevenson) etwas mehr machen können wenn nicht müssen. Ein besonderes Wechselbad der Gefühle erlebt auch Frankenstein Kreatur alias Caliban/John Clare, der versucht in sein altes Leben vor dem Tod zurückzukehren. Aus einem durch die Bank starken Darsteller-Ensemble ragt neben der bereits erwähnten Eva Green vor allem Rory Kinnear als ausdrucksstarkes Frankenstein’sches Monster heraus. John Clare und Vanessa Ives treffen nach ihrer ersten Begegnung in Season zwei zwischenzeitlich wieder zusammen.
Schließlich klingt diese schillernde, brutale, inspirierende, emotional aufwühlende, intensiv-stimmungsvolle, geniale Horrorpastiche irgendwo zwischen apokalyptischer Endzeitstimmung und elegischem Schlussakkord voller melancholischer Poesie aus.
Die finale Staffel von Penny Dreadful ist (wie die beiden ersten Seasons) auf Netflix verfügbar. Ein deutscher Veröffentlichungstermin für DVD- und BluRay-Auswertung steht noch nicht fest.
Fazit: Nicht lang aber sehr intensiv. So lässt sich das Erlebnis Penny Dreadful am besten beschreiben. 27 x „glorious horrors“ und tiefgründige, zerrissene Charaktere zum Mitfühlen. Was für ein Verlust für die Serienwelt, auch wenn das Ende zum gewählten Zeitpunkt nachvollziehbar erscheint. 9 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 30. Dezember 2016. Bilder: Showtime/Netflix.
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