Ein Vierteljahrhundert nach der Leinwand-Adaption von 1978 wurde Agatha Christies bekannter Roman auch im Rahmen der Serie Poirot, mit David Suchet als belgischem Meisterdetektiv, verfilmt.
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Poirot: Tod auf dem Nil (Poirot: Death on the Nile)
TV-Krimi UK 2004. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 98 Minuten (PAL-DVD).
Mit David Suchet, Emma Malin, JJ Feild, Emily Blunt, James Fox, David Soul, Daisy Donovan, Judy Parfitt, Daniel Lapaine, Barbara Flynn, Frances de la Tour, Zoe Telford, Alastair McKenzie, Steve Pemberton u.a. Nach dem Roman von Agatha Christie. Drehbuch: Kevin Elyot. Regie: Andy Wilson.
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Schnelle Mörderhatz
Die junge Jacqueline De Bellefort (Emma Malin) und der mittellose Simon Doyle (JJ Feild) verlieben sich ineinander. Sie verloben sich. Jacqueline bittet ihre Freundin, die reiche Millionenerbin Linnet Ridgeway (Emily Blunt), Simon einen Job zu geben. Linnet willigt ein und spannt ihrer Freundin den Verlobten aus. Linnet und Simon heiraten. Die Flitterwochen, u.a. bei einer Kreuzfahrt auf dem Nil, werden jedoch zum Albtraum, denn ständig wird das frischverheiratete Paar von Jacqueline terrorisiert. An einem Abend kommt es unter den Gästen der Kreuzfahrt zum Eklat. Jacqueline zückt ihre Pistole und schießt Simon ins Bein, der dadurch schwer verletzt wird. Am nächsten Morgen kommt alles noch schlimmer: Linnet ist tot, ermordet. Doch Jacqueline, die Rache für den Verlust Simons geschworen hat, kann es nicht gewesen sein. Meisterdetektiv Hercule Poirot (David Suchet) und sein alter Freund Colonel Race (James Fox) nehmen die Ermittlungen auf.
Jackie will Rache
Tod auf dem Nil von 2004 war die erste Folge aus der zwischen 1989 und 2013 ausgestrahlen Krimiserie Poirot, die ich überhaupt gesehen hatte. Ohne Kenntnis der weiteren 69 Episoden war ich 2007 auch recht enttäuscht von dieser “Kurzfassung”. Knapp 13 Jahre und eine Sichtung der kompletten Serie später habe ich die Episode in Spielfilmlänge (fast direkt nach Tod auf dem Nil von 1978) erneut einer Sichtung unterzogen. Mein Urteil fällt dieses Mal nicht ganz so hart aus, aber wirklich gelungen erscheint mit die 2004er Fassung auch heute nicht.
Im Verlauf der 13 Staffeln wurden in 70 Folgen fast sämtliche Kurzgeschichten (in 50-Minütern) und alle 33 Romane (in Spielfilmlänge) Christies mit Hercule Poirot als Hauptfigur adaptiert. Herrschte zuvor bei der Inszenierung noch eine recht karge Art-Deco-Ästhethik so wurde ab Season 9 (2003/04) mehr Geld in die Produktion investiert. Die vorliegende Fassung von Tod auf dem Nil bildet die dritte Folge jener Staffel. Bei einem Budget von etwa 2 Millionen Pfund war eine prunkvolle und üppig ausgestattete Adaption wie beim o.g. Kinofilm nicht möglich. Mit Ausnahme des Pappmaché-Steins, der auf das Ehepaar Doyle zu fallen droht, wirkt die Inszenierung aber keineswegs billig.
Mit knapp 100 Minuten Laufzeit bleibt hier für quasi die gleiche Geschichte etwa 40 Minuten weniger Zeit als 26 Jahre zuvor. Dies wird leider im übermäßig hohen Tempo deutlich. Man hetzt hier von einer Szene zur nächsten, für schöne Impressionen der schillernden Locations bleibt wenig Zeit. Dennoch gelingt es der Serienfolge denn wesentlichen Inhalt zu vermitteln. Das Personal unterscheidet sich etwas von dem im Kinofilm. Statt Marie Van Schuylers (Judy Parfitt) Dienerin/Krankenschwester Miss Bowers setzt man hier auf ihre viel jüngere Cousine Cornelia Robson (Daisy Donovan). Aus der Romanvorlage hat man zudem Mrs. Allerton (Barbara Flynn) und ihren trotteligen Sohn Tim (Daniel Lapaine) übernommen, welche beide im Kinofilm fehlen. Gleiches gilt für einen Subplot, der sich um die teuren Perlenkette von Linnet Doyle dreht. Insgesamt kommen manche der Figuren leider recht kurz. Interessant fände ich es, zu erfahren, wer oder was denn jetzt genau für die schnelle Abhandlung der ganzen Geschichte verantwort war: Drehbuchautor Kevin Elyot (der mit Das unvollendete Bildnis [2003] und der letzten Episode Vorhang [2013] die Skripts zu zwei weiteren Episoden schrieb), der Schnitt von John Mayes oder die generelle Marschroute von Regisseur Andy Wilson und den Produzenten? Unglücklicherweise liefert Christopher Gunning, der seinerzeit das ikonische Titelthema der Serie komponierte, beim Score nur generische Orient-Sounds ab.
Ein Dutzend Stars wie bei den hochkarätig besetzten Agatha-Christie-Adaptionen der 1970er und 1980er hätten die finanziellen Möglichkeiten der TV-Produktion masiv gesprengt, das macht aber nichts. Mit David Soul (Starsky und Hutch), der an der Seite von Peter Ustinov in Rendezvous mit einer Leiche (1988) zu sehen war, als Andrew Pennington, Frances de la Tour (Harry Potter und der Feuerkelch) als exzentrische Salome Otterbourne und James Fox (Reise nach Indien, Was vom Tage übrigblieb) als Colonel Race sowie der damals noch sehr jungen Emily Blunt (Der Teufel trägt Prada, Looper) gab es aber durchaus ein paar namhafte Darsteller im durchgehend soliden Ensemble.
Sofern sich durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie der Start nicht verschiebt, kommt am 15. Oktober 2020 Kenneth Branaghs Version von Tod auf dem Nil in die Kinos. Wie schon bei der mäßigen 2017er Neuauflage von Mord im Orientexpress übernahm Branagh sowohl Regie als auch Hauptrolle. Außerdem dabei: Gal Gadot als Linnet Ridgeway/Doyle, Armie Hammer als Simon Doyle, Emma Mackey als Jacqueline de Bellefort, Sophie Okonedo als Salome Otterbourne, Letitia Wright als Rosalie Otterbourne, Rose Leslie als Louise sowie die britischen Komiker Dawn French, Jennifer Saunders und Russell Brand.
Poirot: Tod auf dem Nil gibt es als Teil von Staffel 9 der Serie auf DVD. Außerdem ist die Episode bei den Streaminganbieterin Amazon und iTunes abrufbar.
Fazit: Weitgehend überhetzt wirkende TV-Version des bekannten Romans, die inhaltlich einigermaßen funktioniert, dennoch etwas mehr Zeit durchaus hätte vertragen können. David Suchet kann als Hercule Poirot aber erneut überzeugen. 6 von 10 Punkten.
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Das Ehepaar Doyle und Poirot
Illustre Reisegruppe
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