Sense8: Staffel 2

Nur vier Wochen nach der Veröffentlichung der 2. Staffel der Schock: das globale Netflix-Drama Sense8 endet vorzeitig. Diese Hiobsbotschaft kommt besonders bitter, denn somit endet die Serie quasi mit einem Cliffhanger…

Sense8: Staffel 2 (Sense8: Season 2)
Mysteryserie/Drama USA 2017. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 565 Minuten. Erstausstrahlung: 5. Mai 2017.
Mit: Doona Bae, Jamie Clayton, Tina Desai, Tuppence Middleton, Toby Onwumere, Max Riemelt, Miguel Ángel Silvestre, Brian J. Smith, Freema Agyeman, Terrence Mann u.v.a. Idee: Die Wachoswkis und J. Michael Straczynski.


 

 

Keine Zukunft für die Zukunft

Ex-Cop Will (Brian J. Smith) und DJane Riley (Tuppence Middleton) sind weiterhin auf der Flucht vor der Geheimorganisation BPO. Mithilfe von Pharmazeutin Kala (Tina Desai) hält sich Will auf einem konstanten Drogenlevel und versucht, den finsteren Mr. Whispers (Terrence Mann) abzublocken sowie gleichzeitig dessen Aktivitäten zu verfolgen. In Berlin erhält Safeknacker Wolfgang (Max Riemelt) vom einflussreichen Sebastian Fuchs (Lars Eidinger) ein verlockendes Job-Angebot und erlebt eine unerwartete Begegnung. Bloggerin Nomi (Jamie Clayton) hält sich mit ihrer Freundin Amanita (Freema Agyeman) beim eigenwilligen Hacker Bug (Michael X. Sommers) versteckt. Capheus (Toby Onwumere) erhält durch seine steigende Bekanntheit als Fahrer des berühmten “Van Damme”-Buses die Gelegenheit, etwas an den Missständen in seinem von Armut geprägten Viertel in der kenianischen Hautstadt Nairobi zu ändern. Die frühere Top-Managerin Sun (Doona Bae) sitzt immer noch im Gefängnis in Seoul und muss sich gegen Auftragskiller wehren, die ihr böser Bruder geschickt hat. In Mexiko ist Star-Schauspieler Lito (Miguel Àngel Silvestre) gezwungen, sich mit den Konsequenzen seines Coming-Outs und den Auswirkungen für seine Karriere auseinanderzusetzen. Gemeinsam erfahren die acht Mitglieder des Clusters einiges über die Vergangenheit ihrer Spezies…

 Erstmal einen Drink!

Was Logistik, Locations und drehtechnischen Aufwand angeht haben die Produzenten um Grant Hill (Titanic, Cloud Atlas) keine Kosten und Mühen gescheut. Nach neun Metropolen in Staffel 1 filmte man für Season 2 in 16 Städten in 11 verschiedenen Ländern des Erdballs, mit den neuen Drehorten Amsterdam, Argyll (Schottland), Positano (Italien) und Sao Paolo. Nach ersten Aufnahmen für das Weihnachtsspecial Ende 2015 in Berlin und in Chicago im Januar 2016 dauerten die Hauptdreharbeiten von März bis September 2016. Nach ihrer Wandlung von Mann zu Frau pausierte Lilly Wachowski und ihre Schwester Lana übernahm neben Co-Autor J. Michael Straczynski die Hauptverantwortung bei der Konzeption und Produktion der neuen Staffel.

Inszenatorisch hat sich die massive Arbeit erneut wahrlich gelohnt. Wie schon zuvor bietet die Transgressive-Fiction-Serie hochauflösende, mehr als kinotaugliche Bilder von epischen Ausmaßen, egal von welchem Drehort. Absolut virtuos werden erneut die unterschiedlichen Locations und Bilder montiert, was zwar immer etwas den Anschein erweckt, Lana Wachowski und Co würden nur ein ausuferndes Musikvideo produzieren, aber selbst im Vergleich zu teuren Blockbustern seinesgleichen sucht und einen starken visuellen Sog entwickelt. Die Fähigkeiten der acht Sensates werden also auf bestmögliche Weise dargestellt. Doch die Mitglieder des sogenannten Clusters werden nicht nur auf diesen Aspekt ihrer Person reduziert, sie führen über die Interaktionen mit den anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ein eigenständiges Leben. Wie bei Schauspieler Lito oder der frisch verheirateten Pharmazeutin Kala haben weder ihre Partner, Freunde und Angehörige nur die leiseste Ahnung von den besonderen Fähigkeiten. Ausnahmen bilden hier natürlich Transgender-Frau Nomi, die ihre Lebensgefährtin Amanita von Beginn an eingeweiht hat, sowie das Sensate-Paar Riley und Will, die gemeinsam ihr Leben auf der Flucht bestreiten. Durch sein heterogenes Ensemble aus aller Welt versteht es die Netflix-Show unterschiedlichste Lebenswirklichkeiten abzubilden.

Leider kann Sense8 das hohe Niveau nicht komplett durchhalten. Im Verlauf werden die Wendungen immer bemühter und unwahrscheinlich, vor allem wenn es für die Protagonisten darum geht, aus einer scheinbar ausweglosen Situation zu entkommen. Selbst mit chronischer “Suspension of Disbelief” kann man die immer zahlreicheren Ungereimtheiten nicht mehr einfach außer Acht lassen (pun intended). Die ausufernden Montagen der einzelnen Orte und Personen drohen bisweilen auch den Erzählfluss etwas zu drosseln.

Die oben bereits erwähnte Absetzung von Sense8 erscheint aus zwei Gründen als besonderer Härtefall: einerseits endet Season zwei mit einem Cliffhanger. Besonders bitter ist die vorzeitige Beendigung auch deshalb, weil Netflix sich bisher immer als Wohltäter engagiert und bei anderswo abgesetzten Serien noch eine Staffel oder anderweitige Fortsetzung spendierte. Die Hoffnung, dass die im positiven Sinne eigenwillige Show von den Wachowski-Schwestern und J. Michael Straczynski vielleicht doch noch einen halbwegs zufriedenstellenden Abschluss erhält, stirbt zuletzt. Denn trotz der erzählerischen Defizite macht Sense8 in der letzten Folge einen inhaltlichen Quantensprung.

Die zehn Episoden der 2. Staffel von Sense8 sind seit dem 5. Mai 2017 auf Netflix verfügbar.

Fazit: In der 2. Staffel gerät die Handlung zunehmend unlogisch und bisweilen abstrus. Die virtuose Inszenierung und das heterogene Figuren-Oktett können dagegen immer noch überzeugen. 7 von 10 Punkten.

Capheus und sein legendärer Bus
Auf der Gay Pride Parade in Sao Paolo
Nomi, Amanita und Bug

Marius Joa, 10. Juni 2017. Bilder: Netflix.

Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner