Star Trek: Picard – Staffel 1

Gut 17 Jahre nach seinem letzten Auftritt in Star Trek: Nemesis, dem letzten Kinofilm des Prime-Universums und der Crew aus Star Trek: The Next Generation, kehrt Patrick Stewart als Jean-Luc Picard zurück. In der ersten Staffel von Star Trek: Picard versucht der frühere Captain der U.S.S. Enterprise das Vermächtnis eines alten Freundes zu bewahren…

Star Trek: Picard – Staffel 1 (Star Trek: Picard – Season 1)
Science-Fiction-Serie USA 2020. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 490 Minuten.
Mit: Patrick Stewart, Isa Briones, Santiago Cabrera, Evan Evagora, Michelle Hurd, Alison Pill, Harry Treadaway u.a. Nach
Star Trek: The Next Generation von Gene Roddenberry. Idee: Akiva Goldsman, Michael Chabon, Kirsten Beyer, Alex Kurtzman.

 

 



Der alte Mann und der Weltraum

Im Jahre 2385. Der Planet Romulus wird durch eine Supernova bedroht. Admiral Jean-Luc Picard (Patrick Stewart), früherer Captain der U.S.S. Enterprise, gelingt es mit einer eigenständig zusammengestellten Rettungsflotte einen Großteil der Romulaner zu evakuieren. Als jedoch außer Kontrolle geratene Androiden weite Teile der Infrastruktur auf dem Mars vernichten und viele Raumschiffe zerstört werden stoppt die Sternenflotte die Rettungsmission mit sofortiger Wirkung und verbietet jegliche synthetische Lebensformen. Enttäuscht von dieser Entscheidung quittiert Picard den aktiven Dienst und zieht sich auf sein Weingut in Frankreich zurück, wo er das romulanische Paar Laris (Orla Brady) und Zhaban (Jamie McShane) in seinen Haushalt aufnimmt. 14 Jahre später wird Picard plötzlich von einer jungen Frau namens Dahj (Isa Briones) kontaktiert, die einen Mordanschlag auf ihr Leben durch mysteriöse Gestalten nur knapp überlebt hat. Nachforschungen ergeben, dass Dahj im Zusammenhang mit dem Androiden Data, Picards langjährigem zweiten Offizier, steht, welcher sich vor zwanzig Jahren opferte, um die Enterprise zu retten. Picard möchte Dahj helfen und die genauen Hintergründe des Verbots künstlicher Lebensformen herausfinden. Sein Antrag auf Wiederaufnahme in den aktiven Dienst und Kommando über ein Raumschiff wird von der Sternenflotte allerdings abgeschmettert. Da wendet sich der 94jährige an Raffi Musiker (Michelle Hurd), die während der Evakuierung unter ihm diente, und über entsprechende Kontakte verfügt, um ein Raumschiff sowie eine Crew zu engagieren. Mit La Serena, dem Schiff des früheren Sternenflotten-Offiziers Cristóbal “Chris” Rios (Santiago Cabrera), beginnt Picards erste Weltraumreise seit Langem, auf welcher er außerdem von Raffi, dem romulanischen Kämpfer Elnor (Evan Evagora) sowie Dr. Agnes Jurati (Alison Pill), einer Expertin auf dem Gebiet der Kybernetik, begleitet wird. Unterdessen macht der romulanische Agent Narek (Harry Treadaway) auf einem stillgelegten Borg-Kubus die Bekanntschaft einer jungen Forscherin…

Star Trek: The Next Generation (1987-1994; Abkürzung TNG), in Deutschland als Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert erschienen, war für mich Anfang der 1990er der Einstieg in die von Gene Roddenberry erschaffene utopische, von der Erforschung des Weltraums geprägte Zukunftsvision. Die ikonische Original-Crew um Kirk, Spock und McCoy nahm ich erstmals über die ersten Kinofilme und erst später auch durch die Sichtung einiger Episoden der Urserie Raumschiff Enterprise wahr. Angeführt von ihrem formidablen Captain Jean-Luc Picard erforschte die TNG-Crew – Commander William T. Riker (Jonathan Frakes), Lieutenant Commander Data (Brent Spiner), Counselor Deanna Troi (Marina Sirtis), Chefingenieur Geori LaForge (LeVar Burton), Lieutenant Worf (Michael Dorn), Schiffsärztin Dr. Beverly Crusher (Gates McFadden) und ihr hochbegaber Sohn Wesley (Will Wheaton) sowie in der ersten Season auch Lieutenant Tasha Yar (Denise Crosby) – in sieben Staffeln und insgesamt 178 Folgen den Weltraum. Danach folgten noch vier Kinofilm-Abenteuer bis Star Trek: Nemesis (2002), der zum Teil als Ausgangspunkt für die vorliegende neue Show fungiert.

Patrick Stewart (geboren am 13. Juli 1940 in Mirfield, England) war bereits ein gefragter Theaterschauspieler als er für die Rolle des Captain Jean-Luc Picard in TNG gecastet wurde. Zwischen 2000 und 2017 spielte Stewart zudem siebenmal die Rolle des Professors Charles Xavier, Lehrmeister und Anführer der X-Men, basierend auf der langjährigen Marvel-Comicreihe. Außerdem war der Engländer in diversen Filmen wie Der kleine Lord (1980), Excalibur (1981), Dune – Der Wüstenplanet (1984), Robin Hood – Helden in Strumpfhosen (1993) und Green Room (2017) zu sehen. Für seine Verdienste als Schauspieler wurde Stewart 2001 von Königin Elisabeth II zum Ritter geschlagen, seitdem darf er den Titel Sir führen.

Eine Rückkehr als Picard war für ihn lange Zeit ausgeschlossen. Entsprechende Angebote lernte Sir Patrick mehrfach ab. Das Produzenten- und Autorenteam um Showrunner Michael Chabon konnte ihn schließlich damit überzeugen, dass die neue Serie kein komplettes TNG-Revival werden sollte, sondern von einer altbekannten Figur in einer neuen Welt, die seit dem Ende von Picards Karriere komplexer und undurchsichtiger geworden ist, handelt. Dieses “Versprechen” haben die Serienschöpfer Akiva Goldsman, Kirsten Beyer, Alex Kurtzman und Chabon gehalten. Star Trek: Picard holt zwar die Trekkies an der richtigen Stelle ab, bietet aber glücklicherweise keine Fananbiederungsorgie wie Star Wars: Episode IX – Der Aufstieg Skywalkers. Wenn Picard das erste Mal seit gefühlten Ewigkeiten mit der für ihn typischen Handbewegung “Engage” sagt, dann ist das einfach ein besonderer Moment.

Der Weltraum sieht im Jahre 2399 (35 Jahre nach Picards Dienstantritt auf der Enterprise) ganz anders aus als zuvor. Die Zerstörung der romulanischen Heimatwelt und der Mars-Kolonie haben ihre Spuren hinterlassen. In manchen Sektoren herrscht Anarchie. Die Herstellung von und praktische Forschung mit synthetischen Lebensformen ist verboten. Unser Titelheld hat sich auf das Weingut seiner Familie zurückgezogen und produziert dort den traditionsreichen “Château Picard”. Die Vergangenheit lässt den rüstigen Sternenflotten-Rentner allerdings nicht los. Gleich zu Beginn wird er im Traum von dem 20 Jahre zuvor verstorbenen Data “heimgesucht”. Das Auftauchen der jungen Dahj bringt den Stein ins Rollen. Picard will sich noch ein möglicherweise letztes Mal in die großen, gefährlichen Weiten des Alls wagen, auch wenn ihm sein Arzt und seine romulanischen Hausangestellten davon abraten.

Die Autoren packen durchaus interessante Themen in die zehn Folgen umfassender erste Staffel: die undurchsichtigen Machenschaften des romulanischen Geheimdienstes, das technologische und medizinische “Erbe” eines toten Borg-Kubus sowie die Grenze zwischen natürlich entstandenen und künstlich erschaffenen Lebewesen. Vor allem bei letzterem Thema wandelt Picard eindeutigen auf den Spuren von Blade Runner. Die neue Serie hat aber leider zwei doch einigermaßen gravierende Probleme. Einerseits kommt sie unglaublich schwer in die Gänge. Langsames Erzählen mag durchaus seinen Reiz haben, aber was hier in den ersten vier Episoden passiert, das hätten andere Produktionen in zwei geschafft. Außerdem kommt das Ende doch zu früh, weil die vielversprechenden inhaltlichen Ansätze und Handlungsstränge nicht ausreichend entwickelt werden. Zwei oder drei Folgen mehr hätten es da schon sein müssen.

Wie es sich heutzutage für moderne Serien gehört verzichtet man hier auf in sich abgeschlossene Stories, sondern präsentiert einen zentralen durchgehenden Handlungsbogen. Erstmals bei einer Star Trek-Show sind nicht alle der Hauptfiguren Teil einer Raumschiff-Besatzung. Die neuen Charaktere erhalten weitgehend funktionierende Hintergrundgeschichten und Tiefgang. Santiago Cabrera (Heroes, The Musketeers) verkörpert etwa nicht nur Cristóbal Rios, den Captain und Pilot von La Serena, sondern auch diverse Hologramme. Michelle Hurd (Law & Order: Special Victims Unit, Blindspot) spielt Raffi Musiker, Picards ehemalige Assistentin und Vertraute, die seit der gemeinsamen in die Alkohol- und Drogensucht abrutschte. In der Rolle von Kybernetik-Expertin Dr. Agnes Jurati agiert Alison Pill (In Treatment: Staffel 2, Snowpiercer). Für die junge Isa Briones bedeutet Star Trek: Picard ihre erste Serienhauptrolle. Den undurchsichtigen Romulaner Narek gibt Harry Treadaway (Penny Dreadful). Bekannte Gesichter aus dem Trek-Universum geben sich hier auch die Ehre: Jonathan Frakes (der auch zwei Episoden inszenierte) als Will Riker, Marina Sirtis als Deanna Troi, Brent Spiner als Data sowie Jonathan Del Arco und Jeri Ryan als die Ex-Borgdrohnen Hugh und Seven of Nine.

Auch wenn die neue Serie mich vor allem inhaltlich nicht voll überzeugen kann, so habe ich die Rückkehr meines Lieblings-Sternenflotten-Captains doch mehr als genossen, was sicherlich an der immer noch einmaligen Präsenz von Sir Patrick Stewart liegt, der auch seitenlange Datenschutzbestimmungen auf packende Art und Weise zum Besten geben könnte. Schön auch, dass bereits in der ersten Folge verdeutlicht wird, dass Rentner-Action à la R.E.D. – Älter, härter, besser hier keinen Platz hat. Bereits vor der Premiere wurde eine zweite Staffel von Picard bestellt, die wohl Anfang 2021 erscheinen wird.

Die erste Staffel von Star Trek: Picard ist seit dem 27. März 2020 komplett bei Amazon abrufbar.

Fazit: Neben einem Patrick Stewart in Hochform liefert die erste Staffel von Star Trek: Picard viele spannende und interessante inhaltliche Ansätze, die aber leider nicht ausreichend ausgearbeitet werden. 7 von 10 Punkten.





Marius Joa, 16. Mai 2020. Bilder: CBS/Amazon.

 


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