Star Trek: Picard – Staffel 3

In der dritten und finalen Staffel von Star Trek: Picard bricht der greise Weltraumheld zu seinem letzten Abenteuer auf, allerdings nicht ohne seine komplette alte Crew von der Enterprise.

Star Trek: Picard – Staffel 3 (Star Trek: Picard – Season 3)
Science-Fiction-Serie USA 2023. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 535 Minuten.
Mit: Patrick Stewart, Jonathan Frakes, Gates McFadden, Ed Speleers, Jeri Ryan, Michelle Hurd, Todd Stashwick, Ashlei Sharpe Chestnut, Michael Dorn, Marina Sirtis, LeVar Burton, Brent Spiner, Amanda Plummer u.v.a. Nach Star Trek: The Next Generation von Gene Roddenberry. Idee: Akiva Goldsman, Michael Chabon, Kirsten Beyer, Alex Kurtzman.



The Last D-Generation?

Im Jahre 2401. Admiral Jean-Luc Picard (Patrick Stewart), früher Captain der USS Enterprise, steht kurz vor dem Umzug mit seiner romulanischen Lebensgefährtin Laris (Orla Brady) in ein neues Zuhause, da erhält er ein Notrufsignal über seinen alten Kommunikator. Ein Hilferuf von Picards alter Freundin Dr. Beverly Crusher (Gates McFadden), ehemals Schiffsärztin der Enterprise, die mit dem jungen Jack (Ed Speleers) von geheimnisvollen Gestalten unter dem Kommando der selbsternannten Kopfgeldjägerin Vadic (Amanda Plummer) gejagt wird. Picard kontaktiert seinen alten ersten Offizier William Riker (Jonathan Frakes). Mit der Hilfe von Seven of Nine (Jeri Ryan) gelingt es Captain Shaw von der USS Titan zu überlisten und dessen Schiff für eine Rettungsoperation zu benutzen. Doch vor Vadic und ihrem übermächtigen Weltraumgiganten gibt es kein Entkommen. Picard und Riker benötigen die Hilfe ihrer früheren Kollegen von der Enterprise, um eine Katastrophe zu verhindern.  

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Dies ist das (hoffentlich!) letzte Abenteuer des knapp 100jährigen Sternenflotten-Greises Jean-Luc Picard (gespielt vom 81jährigen Sir Patrick Stewart), welches ihn an der Seite seiner alten Crew von der USS Enterprise D erneut durch ein halbgares Fanfiction-Universum voller Referenzen, Plotholes vom Ausmaß eines Borg-Kubus und wenig durchdachter Storylines führt. Ein zugegebenermaßen freudiges Wiedersehen, bei dem es inhaltlich an allen Ecken und Enden knirscht. Und das nicht nur weil die meisten Schauspieler und Figuren das Durchschnittsalter der ZDF-Zuschauer erreicht oder bereits überschritten haben.

Wer ist Jack?

Die Rückkehr des englischen Star-Mimen in seiner am häufigsten gespielte Rolle, nämlich die des außergewöhnlichen Sternenflotten-Captains, war zumindest was Stewarts schauspielerische Präsenz anging in der ersten Staffel von Star Trek: Picard noch recht positiv. Doch das Autorenteam um den obersten Anführer des „neuen Star Trek“ Alex „Transformers“ Kurtzman konnte die teils guten Ideen nicht in durchdachte und adäquat auserzählte Skripts umwandeln. Kein Schiffsbruch aber aufgrund des liegengelassenen Potenzials bedauerlich.

Völlig in seichte Fanfiction-Gefilde bog dann die durchwachsene Staffel 2 ein. Ein sterbender Q, der Picard, Seven of Nine und Co in ein weiteres faschistoides „Spiegeluniversum“ verfrachtete, die Zeitreise in unsere heutige Gegenwart, Vorfahren bekannter TNG-Charaktere ohne Profil und das alles in (wohl wegen der mittlerweile überwundenen Corona-Pandemie) meist menschenleeren Szenerien. Noch dazu sägten die Drehbuch-Azubis unaufhaltsam am ikonischen Status des gut 90jährigen Titelhelden, indem sie diesem einfach ein weiteres Trauma andichteten.

Es ist anscheinend nicht genug, dass Picard von den Borg assimiliert wurde und diese mit seiner unfreiwilligen Hilfe Millionen Lebewesen töteten (siehe Staffeln drei und vier von Star Trek: The Next Generation). Auch der Verlust seines Bruders und seines Neffen durch ein Feuer im siebten Kinofilm Star Trek: Treffen der Generationen (1994) war wohl nicht ausreichend schlimm. Denn in Season 2 von PIC erfahren wir nun, dass sich die Mutter des kleinen Jean-Luc einst das Leben nahm und er das doch glatt mal 80 Jahre lang vergessen hatte. Da soll mir bitte mal jemand erklären wie das alles mit dem echten Kanon der von Gene Roddenberry erschaffenen und seinen direkten Nachfolgern weitergeführtem Universum tu tun haben soll.

Dennoch war vor Beginn der vorliegenden Staffel die Hoffnung vorhanden, dass es im dritten und letzten Jahr besser werden könnte. So schien es anfangs auch, doch schnell war diese kurze Euphorie wieder verflogen. Denn neben Showrunner Terry Matalas (bereits bei Star Trek: Voyager und dem TOS-Prequel Star Trek: Enterprise tätig) kehrten die gleichen Autoren zurück, die erneut bewiesen, dass sie die unzählige Episoden und diverse Filme umfassende Weltraumsaga zwar im Detail kennen, aber nicht verstanden haben.

Mit Ausnahme von Will Wheaton als ehemaliges Wunderkind Wesley Crusher, der schon in Staffel 2 einen belanglosen Cameo absolvierte, finden im Verlauf der zehn Folgen alle Mitglieder von Picards Führungscrew der Enterprise D zusammen und das obwohl manche von ihnen ja eigentlich schon gestorben waren. Dieses Wiedersehen beschert uns wundervolle Momente. Den nicht immer sehr subtilen, aber wirkungsvollen Fanservice beherrschen Matalas und sein Team. Streckenweise werden Elemente aus bisherigen Serien des Franchise wiederaufgegriffen und halbwegs ordentlich weitergesponnen. Man hat daher zwischenzeitlich immer wieder ein Gefühl, dass Season 3 dann doch besser werden könnte. Doch spätestens in den letzten beiden Episoden wird dieses zerstört.

Nicht nur, dass die Autoren ihre an sich guten Ideen nicht in nahtlos erzählte Geschichten ummünzen können, auch erweist sich das Pacing als suboptimal. Teilweise plätschert der ein oder andere Handlungsstrang etwas dahin, nur um dann wegen fehlender Zeit alles übers Knie zu brechen. So wird in Episode 9 dann der tatsächliche Endgegner aus dem Hut gezaubert und man muss schon beide Augen zudrücken (oder den Visor auf unscharf stellen) um darüber hinwegsehen zu können. Die dramatischen Wendungen und die Bedrohung für die gesamte Föderation verfehlen zum großen Teil ihre Wirkung, wenn sie sich innerhalb kürzester Zeit in Wohlgefallen auflösen. Aber solches „lazy writing“ kennen wir ja schon zu genüge aus Star Trek: Discovery, wo es ab Staffel 2 kein Problem mehr gab, dass die allmächtige Michael Burnham nicht innerhalb von Minuten durch ihre pure Willenskraft lösen konnte. Q kann endgültig in Rente gehen.

Was die inszenatorische Seite angeht, so entspricht Staffel 3 von Picard dem üblicherweise hohen Standards. Nur bei der Beleuchtung auf den Raumschiffen wurde leider gespart. Muss man in der Sternenflotte mittlerweile Energie sparen, wo doch Ressourcenknappheit generell meist weniger ein Thema war? Oder soll den Zuschauer*innen nicht in vollem Umfang zugemutet werden, wie alt die TNG-Darsteller wirklich aussehen? Eine Ausnahme bildet hier allerdings Gates McFadden als Dr. Beverly Crusher, die sich ihre Mimik völlig hat wegoperieren lassen.

Ansonsten präsentiert sich der Cast recht solide, vor allem in Anbetracht der seichten Storylines. Amanda Plummer, deren Vater Christopher Plummer einst den Shakespeare zitierenden Klingonen Chang in Star Trek VI: Das unentdeckte Land (1991) spielte, darf hier als mysteriöse Kopfgeldjägerin Vadic mit genüsslicher Überzeichnung agieren und Zigarre paffen. Ed Speleers (einst Titelheld in der durchwachsenen Fantasy-Jugendbuch-Adaption Eragon) meistert die etwas undankbare Rolle des mit einem schwierigen (um nicht zu sagen unlogischen) Erbe ausgestatteten Sohnes von Beverly und Jean-Luc. Sir Patrick Stewart konnte in Staffel 1 und 2 noch glänzen. Doch im dritten Jahr wirkte er müde und verbraucht. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten (September 2021 bis März 2022) war Stewart stolze 81 Jahre alt. Er ist also schon lange nicht mehr jung und braucht das Geld eigentlich nicht mehr.
   
Obgleich sich das hier liest, als ob ich die Finalstaffel von Picard komplett auseinander nehmen würde so war eben doch nicht alles schwach. Im Gegenteil, ich wurde immer wieder gut unterhalten und benötigte im Gegensatz zu Worf oder Raffi keinen Kamillentee, um runterzukommen. Als zentrale Hauptfigur wird Jean-Luc Picard nicht mehr zurückkehren, aber im Finale wird der Grundstein für eine neue Show, quasi über die „Next Next Generation“, gelegt. Am Ende bleibt für mich weiterhin die launige Animationscomedy Lower Decks die derzeit beste Star Trek-Serie.   

Die komplette dritte Staffel von Star Trek: Picard ist seit dem 21. April 2023 Teil des Angebots der Streaminganbieter Amazon Prime und Paramount+.

Fazit: Das Wiedersehen mit der kompletten „Next Generation“-Crew macht Freude, aber diese wird durch erneut schwache, wenig durchdachte Fanfiction-Drehbücher gemindert. 5 von 10 Punkten.  



Dr. Beverly Crusher benötigt Picards Hilfe
Mit Captain Shaw auf der Brücke der Titan
Wiedervereinigung



Marius Joa, 30. April 2023. Bilder: CBS Studios/Amazon.


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