Tatort: Das ist unser Haus

Schock für die Mitglieder einer Baugemeinschaft in Ostfildern. Im Fundament ihres gerade bezogenen Hauses wird eine Leiche gefunden. Die Kommissare Lannert und Bootz ermitteln unter den Bewohnern…


Tatort: Das ist unser Haus
TV-Krimikomödie Deutschland 2021. 89 Minuten. TV-Erstausstrahlung: 17. Januar 2021.
Mit: Richy Müller, Felix Klare, Christiane Rösinger, Lana Cooper, Desiree Klaeukens, Joseph K. Bundschuh, Anna Brüggemann, Michael Kranz, Eike Jon Ahrens, Nadine Dubois, Oliver Gehrs, Sarah Bauerett, Jürgen Hartmann, Heinz Rudolf Kunze u.a. Drehbuch: Daniel Bickermann und Dietrich Brüggemann. Regie: Dietrich Brüggemann.

 

 

Unter Häuslebauern

Vier Wochen nachdem die Mitglieder der Wohngemeinschaft „Oase Ostfildern“ ihr gemeinsames Haus bezogen haben muss das Fundament wegen eines Abdichungsproblems wieder aufgebaggert werden. Dabei finden die Bauarbeiter eine weibliche Leiche. Die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) ermitteln nicht nur unter den Bewohnern, sondern versuchen die tote Frau zu identifizieren. Der Schock über den Leichenfund fördert unterdessen die Konflikte in der Wohngemeinschaft zu Tage, auch wenn die besonnene Ulrike (Christiane Rösinger) immer wieder versucht, den Hausfrieden aufrecht zu erhalten. Die Spur führt zu einer früheren Kandidatin des Wohnprojektes, die plötzlich verschwand…

Mit Ausnahme der jährlich mit einer Folge vertretenen Franken-Tatort zählt die traditionsreiche deutsche Krimireihe Tatort kaum zu meinen bevorzugten Formaten. Dabei gibt es neben dem üblichen Krimieinheitsbrei doch vereinzelt auch positive Ausreißer nach oben, wie den Zeitschleifen-Krimi Murot und das Murmeltier (2018) von Dietrich Brüggemann. Brüggemann fungierte auch als Co-Autor und Regisseur bei der jüngsten Stuttgart-Folge. In Das ist unser Haus tauchen die Kommissare Lannert und Bootz in die Welt einer Wohngemeinschaft ein, deren urschwäbischer Wohntraum durch einen Mordfall erschüttert wird. Brüggemann inszenierte mit Stau (2017) bereits eine Episode mit dem gleichen Ermittlerteam. Der Kriminalfall rückt über weite Strecken in den Hintergrund. Das ist auch gut so. Denn so gelingt ein leicht überzeichneter Blick auf die Befindlichkeiten schwäbischer Häuslebauer in Zeiten von Nachhaltigkeit und weniger klassischen Wohnmodellen. Für engstirnige Tatort-Puristen, die nur nach Schema F bedient werden wollen, sicherlich nur bedingt geeignet.

Der 27. Fall des Stuttgarter Ermittlerduos bietet mit den unterschiedlichen, alle als Verdächtige in Frage kommende Mitgliedern der Wohngemeinschaftauf dem Papier ein gängiges Whodunit-Setting, interessiert sich aber viel mehr für das fragile Sozialgefüge in der Gruppe. Wenn sich die Bewohner gegenseitig an die Gurgel wollen, anschließend mit großen Gesten aussöhnen, nur damit sich die Animositäten bei der nächsten Gelegenheit wieder völlig entladen können, wird das hier mit geschickter Figurendynamik ausbalanciert. Die Anwesenheit des attraktiven Polizisten Sebastian Bootz sorgt außerdem für leichten „romantischen“ Wirbel in der Oase. Das ist unser Haus beweist sein feines Gespür für das Milieu des neumodischen Spießertums zwischen schwäbischen „Tugenden“, ins Esoterische addriftende Beschäftigungen und dem (trotz vor allem in größeren Städten kaum erschwinglicher Preise) Traum vom eigenständigen Wohnraum in alternativer Form.

Brüggemann und sein Co-Autor Daniel Bickermann reichern den Plot auch mit viel Situationskomik und spaßigem Dialogwitz an. Eine entschleunigte Verfolgungsjagd darf auch nicht fehlen. Im starken Ensemble haben mir neben Christiane Rösinger als weiser „WG-Mutter“ Uirike vor allem Anna Brüggemann und Michael Kranz als Neo-Biedermann-Ehepaar sowie Nadine Dubois als „Energie“-Expertin gefallen. Der Sänger und Liedermacher Heinz Rudolf Kunze ist in einer eher kleinen Rolle als ehemaliger Kandidat der Oase zu sehen.

Nach der TV-Erstausstrahlung am 17. Januar 2021 ist Tatort: Das ist unser Haus noch bis einschließlich 17. Juli 2021 in der ARD-Mediathek abrufbar.

Fazit: Herrlich entschleunigte und köstlich-humoristische Dekonstruktion eines schwäbischen Wohntraums. 8 von 10 Punkten.

 


Marius Joa, 28. Januar 2021. Bilder ARD/SWR.

 

 


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