Im siebten Tatort aus Franken ermitteln die Kommissare Voss und Ringelhahn im Fall des vermissten Jungen Mike.
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Tatort: Wo ist Mike?
TV-Krimi Deutschland 2021. 89 Minuten. TV-Erstausstrahlung: 16. Mai 2021.
Mit: Fabian Hinrichs, Dagmar Manzel, Sylvester Groth, Simon Frühwirth, Andreas Pietschmann, Linda Pöppel, Bettina Hoppe, Michelle Barthel, Matthias Egersdörfer u.a. Drehbuch: Thomas Wendrich. Regie: Andreas Kleinert.
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Ängste und Visionen
Bamberg. Hauptkommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) hat gerade frisch mit dem alleinstehenden Lehrer Rolf Glawogger (Sylvester Groth) angebandelt, da wird dieser plötzlich für ihren Kollegen Felix Voss (Fabian Hinrichs) zum Verdächtigen im Fall des verschwundenen fünfjährigen Mike (Milo Eisenblätter). Mikes Eltern (Andreas Pietschmann und Linda Pöppel), die getrennt leben, vermuteten ihren Sohn beim jeweils anderen. Unterdessen wird der 17jährige Titus (Simon Frühwirth) nach der Rückkehr von einem Trip nach Amsterdam von der Polizei aufgegriffen. Auf seinem Unterarm steht das Wort „Schrank“…
Seit 2015 (Der Himmel ist ein Platz auf Erden) ermitteln Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) im Tatort aus der nordbayerischen Region Franken. Insgesamt gestalteten sich die Folgen bisher meist eher durchwachsen. Der überwiegend in Bayreuth angesiedelte fünfte Fall Ein Tag wie jeder andere (2019) avancierte zum starken Highlight. Immerhin solide zeigt sich Fall Nummer 6, Die Nacht gehört dir im letzten Jahr. Mit der siebten Episode Wo ist Mike? präsentieren Regisseur Andreas Kleinert (Klemperer – Ein Leben in Deutschland, Freischwimmer) und Drehbuchautor Thomas Wendrich (Freischwimmer, Ich und Kaminski) – beide zuvor bereits mit Tatort-Erfahrung – einen ebenfalls weitgehend gelungenen Beitrag.
Wie bei vielen anderen Film-und Fernsehproduktionen hatte die Corona-Pandemie auch Auswirkungen auf diese 1168. Tatort-Folge. Die Dreharbeiten in Bamberg und Umgebung (sowie an einem Tag in Amsterdam) hatte am 3. März 2020 begonnen und musste am 19. März 2020 vorzeitig gestoppt werden. Die ausstehenden Szenen wurden vom 17. bis 30. November 2020 nachgeholt. Kleinert und sein Team arbeiten bei Wo ist Mike? ganz bewusst mit inszenatorischen Unschärfen. Rückblenden, Erinnerungen, Visionen und Traumsequenzen werden in der gleichen Art wie die realen Szenen präsentiert, so dass eine Unterscheidung auf den ersten Blick nicht erfolgen kann. Dieser Kniff sorgt für eine teils surreale, irritierende Atmosphäre. Der siebte „Frangn-Dadord“ bricht wie einige seiner Vorgänger etwas aus den gängigen Schemata der langlebigen Reihe aus. Zum einen geht es hier nicht um einen Mordfall, der sukzessive aufgeklärt werden muss, sondern um ein vermisstes Kind. Außerdem wird parallel zu den Ermittlungen von Voss, Ringelhahn und Co noch die Geschichte einer weiteren Figur erzählt, welche im direkten Zusammenhang mit dem Fall steht.
Wo ist Mike erweist sich leider als Beispiel dafür, dass manche Geschichte mehr Laufzeit als die übliche 89 Minuten (oder minimal weniger) verdient gehabt und vielleicht gebraucht hätte. Denn insgesamt wirkt die Story bei mehreren Elementen etwas unausgegoren. Bereits in den letzten paar Episoden wurden die drei weiteren Ermittler Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid), Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) und „Spusi“-Mann Michael Schatz (Matthias Egersdörfer) immer mehr zu Stichwortgebern degradiert, wobei letzterer wenigstens in einer Schlüsselszene den Fall voranbringt. Schadt dürfte hingegen in seinen Werbespots für ein Vergleichsportal mehr Screentime haben. Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel können als Ermittler-Duo Voss und Ringelhahn weiterhin überzeugen. An ihrer Seite agieren Simon Frühwirth (Vienna Blood) als psychisch gebeutelter Titus, Andreas Pietschmann (Dark) und Linda Pöppel als Mikes streitende Eltern sowie der allgegenwärtige Sylvester Groth (Deutschland-Serie, Dark, Sense8) als Lehrer Rolf Glawogger und Bettina Hoppe (Isi & Ossi, Deutschland 89) als Titus‘ Mutter.Tatort-Puristen, die ja immer streng nach Schema F bedient werden wollen, dürften über diese Folge nicht wirklich glücklich sein. Aber für sie gibt es ja auch die Möglichkeit, sich endlos Wiederholungen „klassischer“ Fälle anzusehen.
Tatort: Wo ist Mike? Ist noch bis zum 16. November 2021 in der ARD-Mediathek abrufbar.
Fazit: Inhaltlich minimal unrunder Franken-Krimi, der inszenatorisch zu überzeugen weiß. 7 von 10 Punkten.
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Mikes Eltern
Was ist mit Titus?
Paula und Rolf
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Marius Joa, 12. Juni 2021. Bilder: ARD/BR.
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