The Crown: Staffel 5

Die fünfte Staffel von The Crown, der aufwändigen Historienserie von Peter Morgan, spielt vor allem in den 1990ern, als die scheiternde Ehe von Prinz Charles und Prinzessin Diana für Schlagzeilen sorgte und das positive Image der britischen Monarchie litt.


The Crown: Staffel 5 (The Crown: Season 5)
Historienserie UK, USA 2022. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 525 Minuten.
Mit: Imelda Staunton, Jonathan Pryce, Elizabeth Debicki, Dominic West, Lesley Manville, Jonny Lee Miller, Claudia Harrison, Olivia Williams, Marcia Warren, Andrew Havill u.a. Idee: Peter Morgan.


 

 

Vom schrecklichen Jahr und anderen Tiefschlägen

Die Jahre 1991 bis 1997 sind für Königin Elisabeth II. (Imelda Staunton) und die royale Familie überwiegend mit Tiefschlägen und Misserfolgen verbunden. Nicht nur die Ehe ihres Sohnes und Thronerben Prinz Charles (Dominic West) mit Prinzessin Diana (Elizabeth Debicki) steht unter keinem guten Stern, auch weil der Prinz weiterhin seine Beziehung zu Camilla Parker-Bowles (Olivia Williams) unterhält. Elisabeths zweiter Sohn Andrew (James Murray) möchte sich von seiner Gattin scheiden lassen und Tochter Anne (Claudia Harrison) zum zweiten Mal heiraten. Prinz Charles sieht auch in seiner Rolle als Thronfolger großen Reformstau bei der Modernisierung der antiquierten Monarchie. Diana rebelliert unterdessen auf ihre eigene Weise gegen das starre System und erfreut sich in der Öffentlichkeit immer größerer Beliebtheit. Mit Boris Jelzin (Anatoliy Kontenyov) empfangen die Königin und ihr Ehemann, Prinz Philip (Jonathan Pryce), erstmals seit dem Fall der Sowietunion einen russischen Präsidenten. Nach Dianas für Zündstoff sorgendem TV-Interview mit Journalist Martin Bashir (Prasanna Puwanarajah) scheint eine Scheidung unausweichlich…

Mit Staffel 5 biegt die von Autor Peter Morgan, dem Experten für die fiktionale Aufarbeitung britischer Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts, geschaffene Netflix-Serie über die Regierungsjahre von Königin Elisabeth II., die im September diesen Jahres im stolzen Alter von 96 Jahren und nach 70 Jahren auf dem Thron verstarb, in das letzte Drittel ein. Die für nächstes Jahr geplante und sich seit August 2022 in den Dreharbeiten befindende sechste Season wird die letzte sein. Im Vorfeld der letzten beiden Staffeln kam es bei den Hauptrollen daher auch wie von Beginn an geplant zum finalen Wechsel der Darsteller*innen. Imelda Staunton (Sinn und Sinnlichkeit, Harry Potter und der Orden des Phönix) übernahm von Claire Foy (Staffeln Eins und Zwei) und Oliva Colman (Drei und Vier) die Rolle der Monarchin. Prinz Philip wird nach Matt Smith (1 und 2) und Tobias Menzies (3 und 4) nun von Jonathan Pryce (Fluch der Karibik, Game of Thrones) verkörpert, Elisabeths Schwester Margaret nach Vanessa Kirby (1, 2) bzw. Helena Bonham-Carter (3,4) von Lesley Manville (Womb, Phantom Thread – Der seidene Faden). Dominic West (300, The Affair) schlüpft nach Josh O’Connor (3, 4) in die Rolle von Prinz Charles während Elizabeth Debicki (Der große Gatsby [2013], Tenet) Emma Corrin als Prinzessin Diana ersetzt. Claudia Harrison (Humans) folgt auf Erin Doherty (3, 4) als Königintochter Anne und Marcia Warren (Absolutely Fabulous – Der Film, Sherlock) auf Victoria Hamilton (1, 2) bzw. Marion Bailey (3, 4) als „Queen Mom“. Als Charles Geliebte Camilla Parker-Bowles sehen wir nun Olivia Williams (The Sixth Sense, The Nevers). Neu dabei ist außerdem Jonny Lee Miller (der dauergrimassierende Sherlock Holmes aus Elementary) als John Major, Premierminister des Vereinigten Königsreichs von 1990 bis 1997. Prinz William, der Sohn von Charles und Diana, wird von Senan West, dem Sohn von Dominic West, gespielt.

Den Inhalt einer Staffel von The Crown zusammenzufassen gestaltet sich selten als einfaches Unterfangen, vor allem weil Serienschöpfer Peter Morgan (der in Season 5 wieder alle Skripts allein verfasste) dem Ganzen keine klassische Dramaturgie überstülpt, sondern neben durchgehenden Themen, wie dieses Jahr die scheiternde Ehe von Charles und Diana, in den Episoden meist ein oder zwei einzelne Elemente in den Mittelpunkt stellt, wodurch die Show nicht selten einen gewissen Anthologie-Charakter erhält. So etwa auch in der dritten Folge Mou Mou, in welcher der Aufstieg von Mohamed Al-Fayed (Amir El-Masry bzw. Salim Daw) vom ägyptischen Jungen aus einfachen Verhältnissen zum international tätigen Geschäftsmann und wie er als Filmproduzent mit Sohn Dodi (Khalid Abdalla) für Die Stunde des Siegers (OT: Chariots of Fire; 1981) einen Oscar gewann erzählt wird. In Episode 4, deren Titel Annus Horibilis als Überschrift der ganzen Staffel fungieren könnte, trifft Prinzessin Margaret nach Jahrzehnten wieder auf ihren Geliebten von einst, Peter Townsend, nun gespielt von Ex-James-Bond-Darsteller Timothy Dalton (Penny Dreadful), den sie in den 1950er Jahren nicht heiraten durfte. Charles und Diana, und ihre jeweiligen Versuche das angestaubte System der Monarchie zu beeinflussen, stehen deutlich im Mittelpunkt des fünften Serienjahres.

Als Zuschauer*in sollte man sich im Klaren darüber sein, dass The Crown trotz der gründlichen Recherche von Morgan und seinem Team eine fiktionale Aufarbeitung realer Vorkommnise darstellt und keine hundertprozentig faktentreue Dokumentation über das britische Königshaus. Den hier betriebenen Aufwand (der Dreh einer Episode zieht meist über 22 Tage und das Budget beträgt laut unterschiedlichen Quellen zwischen 50 und 100 Millionen Pfund pro Staffel) sieht man in jeder Szene, egal ob bei den Kulissen, Kostümen oder der Rekreation bekannter historischer Momente. Schauspielerisch kann Season5 mit den bisherigen auf jeden Fall mithalten. Imelda Staunton sieht zwar (wie ihre Vorgängerinnen) der echten Queen kaum ähnlich, doch schafft sie es sich die Hauptrolle auch dank einer sprachlich starken Performance anzueignen. Das Casting von Elizabeth Debicki erweist sich nicht nur wegen derem perfekten Spiel als Diana, Prinzessin von Wales als genialer Glücksgriff, sondern auch weil die Australierin mit 1,91 m-Körpergröße ihre Darsteller-Kollegen alle überragt und so die Außenseiter-Rolle ihrer Figur mit einfachen Mitteln betont wird.

Die aktuell seit dem Tod von Königin Elisabeth II., und der damit verbundenen aufwändigen Begräbnis-Feierlichkeiten wieder etwas mehr angefachte Diskussion darüber, ob eine überwiegend vom Steuerzahler finanzierte Königsfamilie überhaupt noch zeitgemäß sein, thematisiert Morgan in der aktuellen Season ebenso. Als klar wird, dass ihr Kreuzfahrtschiff, die Queen Mary, teure Reparaturen erfordert und die Queen ihren Premierminister John Major nach einer möglichen Übernahme dieser Kosten durch Steuergelder fragt, zeigt sich dieser unnachgiebig. Der teils marode Kreuzer dient also als Symbol für den Bedeutungsverlust des britischen Königshauses. In diesen Aspekten präsentiert sich Season 5 angenehm ambivalent, wirkt an sich aber auf mich inhaltlich als etwas unfertig. Als ob in mehreren Folgen die ein oder andere Szene beziehungsweise ein Subplot fehlte. Interessant wird es jedenfalls wie sich die Serie in ihrer sechsten und letzten Staffel, die voraussichtlich im November oder Dezember 2023 erscheinen wird, präsentiert. Der Unfalltod Dianas und ihres Lebensgefährten Dodi Al-Fayeds im Besonderen sowie die späten 1990er und frühen 2000er Jahre im Allgemeinen dürften dabei den inhaltlichen Schwerpunkt bilden.

Die fünfte Staffel von The Crown ist seit dem 9. November 2022 Teil des Angebots von Netflix.

Fazit: Auch in der fünften Staffel bleibt The Crown eine hochkarätig besetzte, überaus hochwertig produzierte Serie, die allerdings inhaltlich etwas unrund wirkt. 8 von 10 Punkten.

 



Premierminister John Major

Prinzessin Margaret

Diana fühlt sich gefangen

Familienfoto

 

Marius Joa, 30. Dezember 2022. Bilder: Netflix.

 


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