Zwei einsame 17jährige laufen weg, um ihre bisherigen, wenig berauschenden Leben hinter sich zu lassen. Davon handelt die neue Serie The End Of The F***king World.
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The End Of The F***king World
Comedy-Drama-Serie UK 2017. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 165 Minuten. Erstausstrahlung: 5. Januar 2018.
Mit: Jessica Barden, Alex Lawther, Gemma Whelan, Wunmi Mosaku, Steve Oram, Christine Bottomley u.a. Regie: Jonathan Entwhistle und Lucy Tcherniak. Drehbuch: Charlie Covell. Nach der Graphic Novel von Charles S. Forman.
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Alyssa und James gegen den Rest der Welt
Der einsame James (Alex Lawther) hält sich für einen Psychopathen, weil er gerne Tiere quält und tötet. Als nächstes möchte der 17jährige herausfinden, ob er für den „nächsten Schritt“ bereit ist. Da trifft James auf die gleichaltrige, rebellische Alyssa (Jessica Barden), die selten ein Blatt vor den Mund nimmt. Alyssa überredet James, spontan wegzulaufen. Die beiden kapern das Auto von James‘ Vater (Steve Oram) und fahren einfach los. Unterwegs kommen sich die beiden Delinquenten allmählich näher, werden aber immer wieder mit Rückschlägen oder gefährlichen Situationen konfrontiert. Bald schon sind ihnen die Polizistinnen Eunice (Gemma Whelan) und Teri (Wunmi Mosaku) auf der Spur…
James und Alyssa kommen sich näher
2018 ist erst ein paar Wochen alt und dennoch bin ich schon auf ein frühes Serienhighlight des Jahres gestoßen. The End Of The F***king World basiert auf der gleichnamigen Graphic Novel des amerikanischen Comickünstlers Charles S. Foreman. Der junge britische Filmemacher Jonathan Entwhistle drehte bereits 2014 eine Pilotfolge. Zur geplanten Serie sollte es aber erst später kommen. Im Herbst 2017 erschien der Achtteiler beim britischen Sender Channel 4, seit 5. Januar 2018 sind alle Episoden bei Netflix abrufbar.
Während die Vorlage in den USA spielt, versetzt die TV-Adaption das Geschehen irgendwo in die englische Provinz. TEOTFW beginnt als Indie-Komödie im Stile von Juno, allerdings mit deutlich düsterem Grundtun. Das recht trostlose Leben der beiden Protagonisten – beide werden von Eltern(teilen) und ihrer Umwelt weder verstanden noch ernstgenommen – wird durch ihre grundehrlichen Off-Kommentare herrlich absurd karikiert. Sarkastischer, tiefschwarzer Humor, der fast keine Grenzen kennt. Beide sind Außenseiter, könnten vom Naturell her allerdings verschiedener kaum sein. James verhält sich sehr ruhig (wenngleich es in ihm „brodelt“) und erscheint zu Beginn eher noch als Mitläufer des spontanen Roadtrips. Die rebellische Alyssa hingegen hat die Zügel in der Hand und äußert immer genau ihre Meinung, vor allem ohne jeglichen Schimpfwort-Filter. Im Verlauf ihrer turbulenten und nicht selten abgründigen Odyssee kommen sich die beiden Teenager allmählich näher.
Das große Kunststück beiTEOTFW: die Präzision und Kürze, mit welcher hier die Geschichte in acht Episoden à nur etwa 20 Minuten Laufzeit erzählt wird, ohne überhastet oder oberflächlich zu wirken. Die Kombination aus heftigen Gewaltspitzen und teilweise schrägen, nicht selten lakonischen Figuren kennt man in ähnlicher Weise aus den Filmen der Coen-Brüder. Die Handlung spielt sich zwar in der Gegenwart ab, die Szenerie erinnert doch eher an die 1980er und wird neben Indie-Rock durch zeitgenössische Songs aus den 1950ern bzw. 1960ern illustriert. Neben dem abwechslungsreichen Handlungsverlauf und dem punktgenauenTiming lebt die kleine Serie aber vor allem von exzellenten Darstellerleistungen. Alex Lawther (The Imitation Game, Freak Show) verkörpert den introvertierten James mit großer Zurückhaltung, aber gleichzeitig ungemein nuanciert. Dagegen darf Jessica Barden (Wer ist Hanna, Penny Dreadful), trotz ihres jugendlichen Aussehens mittlerweile 25 Jahre alt und längst dem Teeniealter entwachsen, als Alyssa richtig auf den Putz hauen, doch zugleich ungemein authentisch agieren. Die glänzende Chemie des Hauptdarstellerduos funktioniert auch wunderbar in den bittersüßen Momenten, in denen sich Alyssa und James annähern. Nach einiger Zeit heftet sich das ungleiche Polizistinnen-Doppel Teri/Eunice an ihre Fersen, ebenfalls in seiner eigenwilligen Heterogenität von Wunmi Mosaku (Womb, Batman v Superman) und Gemma Whelan (Game Of Thrones) stark gespielt.
Was Düsternis, (schwarzen) Humor und Struktur angeht, so erinnert The End Of The F***king World etwas an die Bulgakow-Adaption A Young Doctor’s Notebook, wo in zwei Mini-Staffeln mit nur je vier Folgen die Erlebnisse eines jungen Arztes im Russland vor und während der Oktoberrevolution erzählt werden.
Fazit: Derbe, abgründige, lakonische sowie bittersüße Odyssee zweier Teenager, irgendwo zwischen Roadmovie-Thriller, Indie-Komödie und Coming-of-Age-Story. 9 von 10 Punkten.
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Teri und Eunice
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