Sieben völlig unterschiedliche Menschen müssen wegen kleiner Vergehen Sozialstunden in Bristol ableisten, unter der Aufsicht der unnachgiebigen Diane. Dann taucht eine große Tasche voller Geld auf, in der britischen Dramedy-Serie The Outlaws von Stephen Merchant und Elgin James.
—
The Outlaws
Dramedy/Krimiserie UK 2021. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 6 Folgen (Staffel 1). Gesamtlänge: ca. 345 Minuten.
Mit: Rhianne Barreto, Darren Boyd, Gamba Cole, Jessica Gunning, Stephen Merchant, Clare Perkins, Eleanor Tomlinson, Christopher Walken, Charles Babalola, Aiyana Goodfellow, Ian McElhinney u.v.a. Idee: Stephen Merchant und Elgin James. Regie: Stephen Merchant und John Butler.
—
Die kleinkriminellen Sieben
In Bristol, im Südwesten Englands. Unter der Aufsicht von Diane (Jessica Gunning) müssen sieben völlig unterschiedliche Menschen für kleine Vergehen Sozialstunden ableisten: der geschiedene, trottelige Anwalt Greg (Stephen Merchant), die kleptomanische 18jährige Studentin Rani (Rhianne Barreto), der junge Kleinkriminelle Christian (Gamba Cole), die unter Drogen- und Aggressionsproblemen leidende adelige Influencerin Lady Gabby (Eleanor Tomlinson), die progressige Aktivistin Myrna (Clare Perkins), der rechtskonservative Fabrikbesitzer John (Darren Boyd) und der alte amerikanische Trickbetrüger Frank (Christopher Walken).
Christian versucht unterdessen seine minderjährige Schwester Esme (Aiyana Goodfellow) vor den Machenschaften des Drogendealers Malaki (Charles Babalola) zu bewahren, auch auf die Gefahr hin, dass er selbst für die Gang arbeiten muss. Mit Gregs Hilfe will Gabby ein großes Musikfestival veranstalten. Frank, der eine lange Karriere als Con Man hinter sich und bereits 18 Monate hinter Gittern verbracht hat, ist bei seiner geschiedenen Tochter Margaret (Dolly Wells) sowie deren beiden Kindern eingezogen und will sich bessern. Clare, die seit den 1980ern gegen Rassismus und Polizeigewalt kämpft, und John, dessen vom eigenen Vater (Ian McElhinney) aufgebaute Firma die Insolvenz droht, geraten aufgrund ihrer unterschiedlichen politischen Einstellungen immer wieder einander. Währenddessen versucht Diane bei ihrem Vorgesetzen (Sam Troughton) Eindruck zu machen, in der Hoffnung, eines Tages Detective bei der Polizei zu werden. Im vermüllten und heruntergekommenen Gemeindehaus, welches die sieben Delinquenten aufräumen und säubern sollen, taucht plötzlich eine große Reisetasche voller Geld auf…
Auch in der heutigen Zeit, wo Filme und Serien dank Streaming viel einfacher verfügbar sind als früher (das Thema in Folge 1 unseres Podcasts Unter Vieraugen) dauert es manchmal Jahre bis eine Serie bei uns in Deutschland landet, selbst bei einer englischsprachigen Produktion. Siehe etwa die großartige, in und um eine Psychiatrie angesiedelte, australische Miniserie Wakefield (2021), die erst zweieinhalb Jahre später hierzulande über die Bildschirme flimmerte. Oder eben die britische Dramedy The Outlaws aus dem gleichen Jahr, welche nach der Pay-TV-Premiere im Januar 2023 bei Pro Sieben Fun erst im Januar 2024 bei ZDF NEO zu sehen war.
Aus der Feder des britischen Schauspielers/Komikers/Autors Stephen Merchant (der gemeinsam mit Ricky Gervais das Original der Büroserie The Office [2001-2003] erfunden hatte) und des amerikanischen Musikers/Filmemachers Elgin James (Mayans MC) begleitet die Serie eine heterogene Gruppe von Menschen aus Bristol, die wegen kleinerer Überschreitungen des Gesetzes Sozialstunden ableisten müssen. Nicht nur dass Merchant, der auch eine der Hauptrollen spielt, und James hier ein illustres Figuren- und Darsteller*innenensemble versammelt haben, die Skripts der sechsteiligen ersten Staffel erweisen sich auch als vielfältig und ausgewogen. Die gerade gestarteten Dreharbeiten wurden durch die aufkommende Covid19-Pandemie im März 2020 abrupt gestoppt. Erst im Februar 2021 konnte die Produktion wirklich loslegen, wobei direkt im Anschluss an Staffel 1 gleich die Aufnahmen zur zweiten folgten.
Bristol ist mit ca. 460.000 Einwohnern nicht nur für seine Trip-Hop-Musik bekannt, welche die Musiker Portishead, Massive Attack und Tricky hervorgebracht hat. Zudem hat das für seine Plastilin-Stop-Motion-Animationen (u.a. Wallace & Gromit, Shaun das Schaf) bekannte Studio Aardman Animation seinen Sitz in der südwestenglischen Stadt. Auch Stephen Merchant stammt aus Bristol und so war es wohl kein Zufall, dass seine neue Serie genau dort spielt und gedreht wird. Inspiration fand der 49jährige über seine Mutter, die als Aufseherin für Sozialstunden arbeitete. The Outlaws präsentiert sich überaus bunt und komplex bezüglich seiner Charaktere, die aus allen Gesellschaftsschichten kommen. Da haben wir die aufgedrehte High-Society-Influencerin Lady Gabby, den einigermaßen wohlhabenden Fabrikbesitzer John und den eher erfolglosen, aber sicher nicht armen Anwalt Greg auf der einen Seite sowie den in die Jahre gekommenen Trickbetrüger Frank, den aus schwierigen Verhältnissen stammenden Christian und die einsame Aktivistin Myrna auf der anderen Seite. Irgendwo dazwischen befindet sich die junge Rani, die ein Stipendium für eine renommierte Universität in der Tasche hat, aber mit ihren kleinen Ladendiebstählen gegen ihr strenges, indisch-polnisches Elternhaus rebelliert. Es sind die unterschiedlichen Lebenswelten und Biografien, welche die Serienhandlung so interessant machen.
Zudem gelingt es Merchant, James und ihren Co-Autor*innen Emma Jane Unsworth, Nikita Lalwani sowie John Butler (neben Merchant auch Regisseur) die Balance zwischen herrlicher Situationskomik und ernsten Thematiken zu halten. Zu Beginn jeder Folge blicken wir in die Vergangenheit von ein oder zwei Figuren oder erleben die entsprechende Tat mit, welche zur Verurteilung respektive den Sozialstunden geführt hat. Eine Schlüsselrolle spielt Diane, die übergewichtige, schnoddrig-resolute Aufseherin der titelgebenden „Gesetzlosen“, deren eigene Vergangenheit als straffällig gewordene Jugendliche ebenso beleuchtet wird und die von einer Karriere als Polizeibeamtin träumt.
Der Titel und das partielle Setting in kriminellen Kreisen sorgen für ein etwas Western-Flair, auch durch die stilistisch passende Musik von Stew Jackson und Dan Jones. Obwohl man überwiegend auf eher unbekannte Schauspieler*innen setzt so konnte man mit Christopher Walken (Die durch die Hölle gehen) als Frank einen echten Besetzungscoup landen, vermutlich auch weil der mittlerweile 80jährige Hollywoodstar (zuletzt in Dune: Part Two zu sehen) kaum ein Rollenangebot ablehnt. Der über zwei Meter große Merchant hat sich selbst die Rolle des peinlich-trotteligen Anwalts Greg auf den Leib geschrieben. Außerdem sehen wir Darren Boyd (Killing Eve: Staffel 1) als John, Eleanor Tomlinson (Poldark) als Gabby, Clare Perkins (EastEnders) als Myrna, Gamba Cole (The Protégé) als Christian, Rhianne Barreto (Die Ehre der Familie) als Rani und Jessica Gunning (Law & Order: UK) als Diane. Mit Richard E. Grant (Saltburn) in der Rolle von Gabbys distanziertem Vater und Claes Bang (Dracula [2020]) als Drogenboss namens „The Dean“ gibt es außerdem prominente Gaststars.
Etwas schade erscheint es aus meiner Sicht, dass man in Folge 6 den Plot dann etwas zu schnell und einfach zu einem vorläufigen Ende bringt. Daher bleibt es spannend zu sehen, wie die Geschichte der Outlaws in Staffel 2 weitergeht und ob wieder Graffiti des aus Bristol stammenden Guerrilla-Künstlers Banksy verwendet wurde. Eine dritte Staffel wurde übrigens im November 2023 abgedreht.
Staffel 1 von The Outlaws ist am 26. Mai 2023 auf DVD erschienen und aktuell als kostenpflichtiger Stream bei Amazon, Apple TV und Joyn Plus erhältlich.
Fazit: Gekonnt geschriebene Dramedy über eine heterogene Gruppe Delinquenten in Bristol. 8 von 10 Punkten.
—
—
Marius Joa, 16. März 2024. Bilder: Polyband/BBC.
Schreibe einen Kommentar