Der junge William Shakespeare kommt nach London, um sich als Bühnendichter seinen Traum zu erfüllen. Doch seinem großen Ziel stehen allerlei widrige Umstände entgegen..
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Will
Historienserie USA 2017. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 475 Minuten. Erstausstrahlung: 11. Juli 2017.
Mit: Laurie Davidson, Olivia DeJonge, Ewen Bremner, Mattias Inwood, Jamie Campbell Bower, William Houston, Lukas Rolfe, Max Bennett, Colm Meaney, Nancy Carroll, Jasmin Savoy Brown u.a. Idee: Craig Pearce.
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Shakespeare Begins oder Will will’s wissen
England im Jahre 1590. Obwohl er als Handschuhmacher einem ehrbaren Beruf nachgeht verlässt Will Shakespeare (Laurie Davidson) seine junge Familie, um sich seinen Traum zu erfüllen: den Durchbruch als Theaterautor in London. In der Hauptstadt angekommen wird Will vom Straßenjungen Presto (Lukas Rolfe) bestohlen und versucht sein Glück im Theater von James Burbage (Colm Meaney), einem der einflussreichsten Bühnenunternehmer seiner Zeit. Nach einigen Wirrungen, bei welchen auch der berüchtigte Poet Christopher „Kit“ Marlowe (Jamie Campbell Bower) seine Finger im Speil hat, erhält Will seine Chance. Zum Ensemble des Theaters gehören auch Burbages eitler Sohn Richard (Matias Inwood) und der furiose Mime Kemp (William Huston). Dummerweise verliebt sich Will in Burbages Tochter Alice (Olivia DeJonge), die sich beim Schreiben als große Hilfe erweist. Dem jungen Bühnenautor droht indes Ungemach, denn der gnadenlos Richard Topcliffe (Even Bremner) macht „im Auftrag der Königin“ Jagd auf Anhänger des Katholizismus in England, zu welchen Will heimlich gehört…
Alice und Will verlieben sich
Bisher hatte sich Craig Pearce vor allem als Co-Autor von Regisseur Baz Luhrmann bei dessen Filmen Strictly Ballroom (1992), William Shakespeares Romeo + Julia (1996), Moulin Rouge und Der Große Gatsby (2013) einen Namen gemacht. Zuletzt gingen die beiden Australier beruflich getrennte Wege, wenngleich mit ähnlichem Erfolg. Denn sowohl die von Luhrmann miterfundene Netflix-Serie The Get Down als auch die von Pearce kreierte Shakespeare-Origin-Show Will wurden nach einer Staffel eingestellt.
Dass der Handschuhmacher aus Stratford-upon-Avon wirklich der Verfasser des umfassenden Werkes war, welches dem Namen Shakespeare zugeschrieben wird, darüber gibt es unter den Historikern schon seit Langem heftige Debatten. In seinem Film Anonymus präsentierte der deutsche Hollywood-Regisseur Roland Emmerich (bekannt für seine Katastophen-Blockbuster) eine mögliche Version. An einer Widerlegung der Autorenschaft ist Craig Pearce in seiner Serie über den Barden nicht interessiert. Vielmehr sucht der Australier in London nach den Anfängen des berühmtesten Dramatikers aller Zeiten. Das Treiben in den Straßen der britischen Hauptstadt im Jahre 1590 wird hier als grellbuntes ausschweifendes Festival der Sinne inszeniert. Glücklicherweise verlässt man sich dabei überwiegend nicht auf (unechte) Computeranimationen, sondern verstärkt den Fokus auf die aufwändigen Häuser- und Straßen-Kulissen so dass man sich als Zuschauer durchaus in einem groß angelegten Live-Rollenspiel wähnt. Allerdings erscheint es dann etwas überzogen, dass die als Theater-Zuschauer engagierten Statisten in punkige Klamotten gesteckt und vermutlich anschließend mit hektoliterweiße Farbe besprüht wurden.
Mit Jamie Campbell Bower (bekannt aus einschlägigen Teenie-Filmchen wie Twilight oder Chroniken der Unterwelt) als schwulem Popstar der Theaterszene scheint Will die Fans oberflächlicher Hochglanzware zu bedienen, der restliche Cast setzt sich dann aber doch überwiegend aus ernstzunehmenden Charakterschauspielerin wie Colm Meaney (Star Trek: Deep Space Nine) und William Houston (Die Bibel, Elisabeth: Das Goldene Königreich) zusammen. Inhaltlich darf man freilich kein faktengetreues Geschichtsdrama erwarten, sondern vielmehr „historial fiction“. Pearce und sein Autorenteam füllen die großen Lücken in der Biographie des Handschuhmachers und Schauspielers William Shakespeare mit einem weitgehend fesselnden Plot, in welchem sich gewisse Motive aus den Werken des großen Dramatikers spiegeln. Eigentlich könnte man Will als Prequel zu Shakespeare in Love (1998) bezeichnen, nur ohne den Hollywoodkitsch. Äußerst dick aufgetragen wirkt dennoch der Handlungsstrang um Christopher Marlowe, der trotz seines ausschweifenden Lebenstils mit jungen Männern, Alkohol und Drogen nach weiteren Extremen sucht, um seine „verdorrte“ Kreativität wieder zu finden und sich seinen Dämonen zu stellen.
Craig Pearces Ansatz, eine mögliche Origin-Story von Shakespeare zu erzählen und diese in modernem Gewand zu präsentieren, sorgt allerdings auch für den gravierendsten Schwachpunkt der Serie. Ständig werden Szenen mit modernen Rock- und Pop-Songs unterlegt. Da erklingt das schon ziemlich abgedroschene London Calling von The Clash als Will erstmals die große Metropole betritt, Fame von David Bowie untermalt eine Ankleide-Montageszene und als der Protagonist einer Schlägerei aus dem Weg zu gehen versucht hört man Sabotage von The Beastie Boys. Irgendwann ging zumindest mir diese Musikauswahl ziemlich auf die Nerven, vor allem da sie nicht nur gewollt anachronistisch, sondern auch plump und inhaltlich unpassend wirkt. Es fehlte zum völligen musikalischen Irrsinn nur noch 99 Luftballons.
Vermutlich wegen schwacher Quoten wurde Will nach nur einer Staffel vom US-Network TNT abgesetzt. Immerhin endet die Show nicht mit einem Cliffhanger, sondern bringt die wichtigsten Storylines zu einem annehmbaren Schlusspunkt, wenngleich weitere Episoden dem Stoff nicht geschadet hätten.
Nach der Pay-TV-Premier bei TNT Serie im Sommer 2017 sind die zehn Folgen der Serie bei Amazon Instant Video verfügbar. Die Veröffentlichung auf BluRay und DVD steht noch aus.
Fazit: Trotz durchwachsener Besetzung und völlig unpassender Musikauswahl inhaltlich durchaus eine spannende Origin-Story im gewöhnungsbedürftigen Punk-Gewand. 6 von 10 Punkten.
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Christopher Marlowe sucht nach Inspiration
Munteres Theater-Treiben
Topcliffe schreckt vor Folter nicht zurück
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Marius Joa, 27. Dezember 2017. Bilder: TNT Serie.
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